Japanische Eidgenossen
Sie sollten nicht grösser sein als 70 bis 80 Zentimeter und brauchen aufmerksame Pflege: Bonsaibäume. Die Bonsaifreunde Dreiländereck haben sich diesen Winzlingen verschrieben. Ein Besuch im Clublokal in Reinach.
«Mich fasziniert an der Bonsaigestaltung die Absicht, aus etwas Grossem, das man nicht versteht, etwas Kleines zu machen, quasi wie im Modellbau», schildert Michel Mauron, Präsident des Vereins Bonsaifreunde Dreiländereck, seine Faszination für diese über 1000 Jahre alte Kunstform. Bon-Sai stammt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich übersetzt «Baum in der Schale». Und tatsächlich, dort stehen vier Bonsai auf einem Arbeitstisch im Clublokal, ein eigener Bereich in einem Gewächshaus auf dem Gelände des Erlenhofs.
«Das Tolle ist», so Mauron weiter, während Vorstandskollege Roland Müller zwei weitere Bäumchen hereinträgt, «dass eigentlich jede Baumsorte verwendet werden kann.» So stehen dort eine 35 Jahre alte Fichte, ein Ginkgo, eine Mädchen-Kiefer und eine über 100 Jahre alte Wilde Olive. Ergänzt wird das Ensemble von einem Suiseki-Stein, etwas, dem sich die Bonsaifreunde ebenfalls widmen. «Ein Baum ist normalerweise sehr gross und von unten ist immer nur ein Stück zu sehen. Wenn wir ihn klein machen, lässt er sich in seiner Gänze sehen und verstehen», erklärt Mauron.
Viel Geduld ist gefragt
Roland Müller erinnert sich: «1980 gab es ja die Gartenbauausstellung «Grün 80» und dort habe ich zum ersten Mal Bonsai gesehen. Mich hat es sofort gepackt: Ein Ahorn-Wald, einzelne Kiefern, das war gewaltig und es hat mich begeistert.»
Sowohl Müller als auch Mauron betonen, dass es ihnen in erster Linie um die Bäume geht und nicht um Japan als solches, auch wenn über die Bonsai- und Suiseki-Kunst immer wieder ein Kontakt zur japanischen Kultur besteht und es durchaus Einflüsse gibt: «In der japanischen Kultur gibt es weniger Stress, es wird sehr differenziert und es herrscht eine grosse Wertschätzung. Eine schöne Sache», findet Müller. Und Mauron ergänzt den Aspekt der Langfristigkeit: «Wenn es gut läuft, überlebt ein Baum 20, 30 Jahre oder mehr.» Da brauche es viel Geduld, sagt Müller lachend, denn auch wenn die Bäume klein sind, sind es doch komplette Bäume, die sich ganz im Jahreslauf befinden.
Eine bestimmte Phase gibt es so eben nur einmal pro Jahr und gewisse Arbeiten lassen sich nur in diesem Zeitraum ausführen. Die Fichte hat Müller um 1990 im Puschlav an der Baumgrenze ausgegraben und sich ihr seither gewidmet, das heisst, sie gedüngt, gewässert, sie zurückgeschnitten und auch ihre Äste mit Draht umwickelt, so dass sie eher nach unten zeigen. «Wir möchten, dass der Baum eine eher ältere Anmutung hat», sagt Müller.
«Moyogi» – frei aufrecht
Alles begann im Nachklang der «Grün 80» im Jahr 1982 und hat sich seither – wie ein Bonsai – weiterentwickelt. Damals wurde die «Bonsai-Gruppe Region Basel» gegründet, die bis 2006 Mitglied als Arbeitsgruppe des «Schweizer Bonsai Club», später «Vereinigung Schweizer Bonsai Freunde» war. Als sich die Arbeitsgruppe 2007 auflöste, kam es zur Gründung der Interessengemeinschaft «Moyogi – Bonsaifreunde Dreiländereck», ab 2009 als unabhängiger Verein. Er bezweckt die Förderung der Bonsaikunst, vermittelt Wissen und dient dem Erfahrungsaustausch in Sachen Gestaltung, Pflege und Präsentation. Seinem Namen macht der Verein in zweifacher Hinsicht alle Ehre: Zum einen ist das Dreiländereck wörtlich zu nehmen, denn unter den 72 Mitgliedern (ein Drittel Frauen) befinden sich auch Deutsche und Franzosen. Aber nicht nur das: Den Sitz hat der Verein in Pratteln, Mauron kommt aus Rheinfelden, Müller aus Muttenz und das Club-Lokal befindet sich in Reinach.
«Moyogi» wiederum bedeutet «frei aufrecht» und zählt zu den zwölf Gestaltungsformen wie windgepeitscht, Kaskade oder streng aufrecht. «Ein Bonsai im Moyogi-Stil steht aufrecht, aber er ist nicht so gerade wie ein streng aufrecht stehender Baum. Frei aufrecht, das ist so eidgenössisch, oder?», schmunzelt Mauron und Müller lacht: «Japanisch eidgenössisch!» www.bonsai-basel.ch