Nur «durchschnittliche» Natur?

Im Buchloch sollen Häuser entstehen. Doch die Reinacher hadern seit Jahrzehnten mit einer Überbauung auf dem Areal, das am Rande des Naturschutzgebiets liegt. Nun liegt ein neues Naturinventar vor.

Abrissbereit: Die alte Villa auf dem Areal, auf dem das Bauvorhaben dereinst umgesetzt wird. Foto: Archiv/Fabia Maieroni
Abrissbereit: Die alte Villa auf dem Areal, auf dem das Bauvorhaben dereinst umgesetzt wird. Foto: Archiv/Fabia Maieroni

Seit den 1950er-Jahren ist das Areal am Rande des Naturschutzgebiets Buchloch in Reinach als Bauland eingezont, doch gebaut werden konnte bisher nie. Das Stimmvolk musste in der Causa Buchloch siebenmal an die Urne – diverse Projekte schmetterte es ab. Zum letzten Mal Nein sagten die Reinacherinnen und Reinacher vor genau zwei Jahren. Gegner der Vorlage befürchteten vor allem eine Beeinträchtigung des angrenzenden Naturschutzgebietes.

Doch der Trotz nützt nichts. Die Eigentümerin der Parzellen am Siedlungs-rand, die Fagus Immobilien AG, hat sich ­entschieden, die planungsrechtlichen Grundlagen für das Areal im vereinfachten Quartierplanverfahren zu erstellen.

Das bedeutet: Allein der Gemeinderat kann ein Projekt annehmen oder ablehnen. Vor den Einwohnerrat muss das Geschäft nicht mehr. Öffentlich aufgelegt wird der Quartierplan dennoch, Einsprachen sind ebenfalls möglich. Die Möglichkeit des vereinfachten Quartierplanverfahrens habe schon vorher bestanden, erklärt Katrin Bauer, Leiterin Raum­planung, Umwelt und Kataster bei der Gemeinde. «Die Zonenvorschriften Siedlung aus dem Jahr 2015 regeln klar, dass auch das vereinfachte Quartierplan­verfahren angewandt werden kann. Der Einwohnerrat hat diese Vorschriften abgesegnet.» Im Zonenplan Siedlung seien denn auch Art und Mass der Nutzung schon festgelegt, also zum Beispiel, wie hoch und wie viel gebaut werden darf.

Sieben Arten auf der roten Liste

Nachdem der letzte ordentliche Quartierplan 2021 abgelehnt worden war, liess die Gemeinde ein neues Naturinventar erstellen. «Denn die letzte Aufstellung über Flora und Fauna im Buchloch stammt aus den 1980er-Jahren», weiss Bauer. Den Auftrag für die aktuelle Bestandesaufnahme von Bäumen, Sträuchern, Amphibien, Vögeln, Insekten und Säugetieren im Feuchtgebiet ­erhielten Lukas Merkelbach und sein Team von Mernatur Naturschutzbiologie GmbH. Seit letztem Februar hat der Biologe das Naturschutz­gebiet und die angrenzende Bauparzellen untersucht. Nun liegt das Naturinventar vor. Es besagt: Die Bio­di­versität sei in vielen Bereichen des untersuchten Perimeters «nur» durchschnittlich, teilweise gar unterdurchschnittlich zu bewerten. Dies gelte besonders für Botanik, Insektenvielfalt und kleine Wasserlebewesen – sogenanntes Makrozoobenthos, erklärt Lukas Merkelbach. Auch Vögel konnte der Ornithologe keine aussergewöhn­lichen finden: «Vogelarten und Anzahl der einzelnen Tiere liegen im erwart­baren Rahmen.» Anders sieht es beiden Amphibien aus: «Das vorhandene Artenspektrum ist regional überdurchschnittlich» und sei dank Erdkröten, Faden- und Kammmolchen von regionalem Wert.

Überraschender ist jedoch die Entdeckung, die Merkelbach und sein Team in der Nacht machten: Im Buchloch kommen mindestens zwölf Fledermausarten vor, gleich sieben davon stehen auf der roten Liste. «Mit dieser hohen Zahl haben wir nicht gerechnet», kommentiert Merkelbach das Ergebnis. «Das ist wirklich herausragend.»

Baugrunduntersuchungen starten nächste Woche

Weil viele Reinacher dem Bauprojekt im Buchloch eher kritisch gegenüberstehen, hat die Gemeinde am Dienstag zu einem Rundgang mit Lukas Merkelbach geladen. 35 Personen hörten sich die Ergebnisse des Berichtes vor Ort an. Der Zeitpunkt für die Führung kommt nicht von ungefähr: In der nächsten Woche beginnen die ersten Baugrunduntersuchungen, für die auch Fällarbeiten anstehen. Diese ersten Arbeiten würden naturschutzfachlich von Mernatur begleitet, erklärt Katrin Bauer.

«Naturschützerische Auflagen» für den Quartierplan

Gestützt auf ihre Ergebnisse hat Merkelbach der Gemeinde einen Empfehlungskatalog erstellt. Im Fokus stehen unter anderem die Grundwasserströme. Sie sind für das Feuchtgebiet essenziell. «Die Grundwasserströme sollten auch durch allfällige Bauwerke möglichst wenig beeinträchtigt werden», hält Merkelbach fest. Das Gutachten schlägt weiter Schutzmassnahmen für Amphibien, die Anlage von Kleinstrukturen wie Holzhaufen oder Trockenmauern und die Förderung einheimischer Pflanzenarten vor. Denn auf jener Parzelle, auf der zurzeit noch eine verlassene Villa steht, haben sich Neophyten aus der Gartenanlage unkontrolliert vermehrt. «Nicht jedes Grün ist gutes Grün», hält Merkelbach fest. Auch müssten Flugkorridore für Fledermäuse freigehalten und eine Uferschutzzone am Schönenbach etabliert werden.
Die Gemeinde wolle die Empfehlungen beachten, erklärt Katrin Bauer. Die Bauherren würden durch den Quartierplan «naturschützerische Auflagen erhalten.»

Zurzeit befindet sich das Bebauungskonzept in Bearbeitung. Sobald es – unter Miteinbezug der Ergebnisse aus den Baugrunduntersuchungen – fertiggestellt ist, wird es dem Gemeinderat vorgelegt. Gibt dieser grünes Licht, startet das Quartierplanverfahren «Buch-Hain 2». Das Bebauungskonzept und der Quartierplan werden dann der Öffentlichkeit vorgestellt.

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