«Zur Kunst von Beuys hatte ich keinen Zugang, doch seine politische Ideen interessierten mich sehr.»
Walter Kugler, ehemaliger Leiter des Rudolf-Steiner-Archivs, hat ein Buch über den Aktionskünstler Joseph Beuys geschrieben. Die beiden verband die Leidenschaft für Steiners Lehren.
Mit einem einladenden Lächeln, genüsslich eine Zigarette rauchend, empfängt Walter Kugler den Gast im Garten seines Hauses am Dornacher Hügel, wo seine Kinder aufwuchsen und er noch heute mit seiner Frau wohnt. Anlass des Besuches ist sein neustes Buch «Beuys im Goetheanum», das er zusammen mit Christiane Haid, am Goetheanum Leiterin der Sektionen für «Schöne Wissenschaften» und Bildende Künste, herausgegeben hat. Die Publikation zum 100. Geburtsjahr des berühmten, der Anthroposophie zugeneigten Aktionskünstlers Joseph Beuys dient zur Lektüre und als Vorbereitung für das Beuys-Symposion, das im Mai dieses Jahres in Dornach stattfindet.
Kugler und Beuys verband eine Bekanntschaft, die sich aus der gemeinsamen Leidenschaft für Steiners Lebenslehren nährte. Der Funke für die Anthroposophie zündete bei Walter Kugler nicht schon in der Wiege, sondern erst während der Studienzeit Ende der 1960er-Jahre, als die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung von Studenten, Künstlern und Aktivisten mit viel Wucht herausgefordert wurde. «Mein Zugang zur Anthroposophie ging anfangs über die politische Konzeption Steiners», erzählt Kugler und in dieser Zeit machte er die Bekanntschaft Beuys’, der sich als Lehrer an der Kunstakademie Düsseldorf gegen die Direktion stellte, indem er medienwirksam Studenten in seiner Klasse aufnahm, die des Numerus Clausus’ wegen abgelehnt worden waren und in der Düsseldorfer Altstadt 1970 ein Informations- und Aktionsbüro der Organisation für direkte Demokratie gründete, wo Walter Kugler verschiedentlich Gast war. «Zur Kunst von Beuys hatte ich damals noch keinen Zugang, doch seine politische Ideen, die auf Steiner gründeten, interessierten mich sehr.» Kugler und Beuys organisierten im Laufe der Zeit Veranstaltungen zu Themen aus Politik und Wirtschaft. «Ein Jahr vor seinem Tod 1986 hatte ich ihn zum letzten Mal getroffen», erzählt er.
Akribische Arbeit
Vor genau 40 Jahren wurde Walter Kugler aus Köln, als er dort an der Universität Erziehungswissenschaften lehrte, nach Dornach gerufen, um an der Gesamtausgabe Rudolf Steiners Werke mitzuarbeiten: «Manche Kollegen in Köln dachten, ich sei verrückt. Aber mir bot sich so die Möglichkeit, den ganzen Tag Steiner zu lesen und dabei auch noch Geld zu verdienen», sagt er erst schmunzelnd, erzählt darauf aber eine Anekdote, die nahelegt, dass diese Arbeit ohne Akribie nicht zu machen war, denn insbesondere bei der Niederschrift von Steiners Vorträgen, die als Stenogramme vorlagen, konnte es Schwierigkeiten geben: «In einer Erstauflage von 1928 war das Wort Schleppschwanz zu lesen. Das kam uns seltsam vor und wir holten das Stenogramm aus dem Archiv, um das Wort zu prüfen und sahen, dass das stenografische Kürzel auch an anderer Stelle im Vortrag auftauchte.»
Es stellte sich heraus, dass die Zeichen nicht für «Schleppschwanz», sondern für die zwei Biologen Schleiden und Schwann standen. Angesichts dieses Hintergrundes wundert es nicht, dass der 74-Jährige, der sprudelnde Vitalität und in sich ruhende Gelassenheit gleichzeitig ausstrahlt, von 2003 bis 2011 als Leiter dem Rudolf Steiner Archiv vorstand und in dieser Funktion in der Welt herumkam, wenn es etwa darum ging, Steiners künstlerisches Werk, ja sogar seine Notizbücher oder die 1100 Tafelblätter, die während Vorträgen entstanden, per Flugzeug in Museen auf der ganzen Welt zu geleiten. «Ich durfte erste Klasse fliegen und das Museum bezahlte es», sagt er, wieder lachend. Er trennte sich vom Rudolf-Steiner-Archiv, als neue Konzepte entwickelt wurden und «plötzlich von einem Businessplan und Arbeitszeiterfassung die Rede war». Das war nichts für ihn und da er noch eine Professur an der Brookes-Universität in Oxford innehatte, konnte er das Feld ohne Bauchschmerzen räumen.
Steinerschule und Globuli
Die Lehren Steiners haben Kuglers Leben geprägt, was sich auch im Alltag widerspiegelt. Dass seine Kinder die Rudolf-Steiner-Schule besuchten, versteht sich von selbst, aber auch, wenn ihm wie neulich eine Heimsuchung in Form einer Erkältung droht, greift er zu anthroposophischen Mitteln: «Ich werfe Globuli ein und gut ist. Manche Leute machen sich darüber lustig, aber bei mir wirkt es», sagt er und steckt sich eine Zigarette an.
Buch: «Beuys im Goetheanum»
Kuglers Buch beschäftigt sich mit Beuys’ Werk und Wirken. Der Herausgeber hat Veröffentlichungen aus der Wochenschrift «Das Goetheanum» der letzten 50 Jahre über Beuys zusammengestellt und durch weitere neue Beiträge ergänzt, die im Vorfeld des Beuys-Symposions am Goetheanum entstanden sind. Sie geben aktuelle Perspektiven auf die Bedeutung und Wirkung von Joseph Beuys und zeigen seine Verbindung zu Rudolf Steiner.