Wenn «Abfall» zum gluschtigen Rezept wird
Die Metzgerei Jenzer baut ihren Kampf gegen Food Waste aus und bietet einen neuen «Abfallsack» an. Dazu hat Annina Jenzer Rezeptvorschläge als Berufsmaturarbeit zusammengestellt.
Brot von gestern, Legehennen, die ihren Dienst geleistet haben und jetzt zu Suppenhühnern werden oder Rindslebern – sie alle landen noch immer viel zu viel im Abfall, weil sie als nicht geniessbar gelten und deshalb seit Jahren auf den Tellern vieler Schweizerinnen und Schweizer verpönt sind. Dagegen kämpft Jenzer Fleisch&Feinkost an, das Fachgeschäfte unter anderem in Arlesheim und Reinach betreibt. Ab heute bietet die Metzgerei die überarbeitete Version ihres «Abfallsacks» an, mit dessen ersten Version sie im vergangenen Jahr erfolgreich Food Waste, also das Wegwerfen von Esswaren, verhindert hat. Der «Abfall!?-Sack 2.0» ist gefüllt mit zehn Spezialitäten. Viele Produkte sind von der Legehenne, weil in der Schweiz jährlich 700000 Legehennen weggeworfen werden, erklärt Geschäftsführer Christoph Jenzer. «Letztes Jahr konnten wir für unsere Spezialitäten bereits 25000 Legehennen verwenden.»
Neue Spezialitäten entwickelt
Die Begrifflichkeit des «Abfallsacks» ist eine gezielte Provokation des Familienunternehmens, verrät Jenzer. «Wir wollten bewusst auf das Wegwerfen von Essbarem hinweisen, das fälschlicherweise für viele als Abfall gilt.» Beim Einkauf gibt es als Tasche natürlich auch keinen Abfallsack. Die Provokation habe gewirkt, wie Reaktionen beweisen, die bis zum Firmenchef gelangt sind. Insgesamt bietet Jenzer 25 Spezialitäten gegen Food Waste an. Die Mitarbeitenden haben für die neue Version des Abfallsackes mehrere Spezialitäten neu entwickelt: die Leberli an einer Apfel-Calvados Sauce werden auch die Skeptiker begeistern, verspricht Christoph Jenzer. «Die Leber enthält viele Vitamine, die zu wertvoll sind zum Wegwerfen.» Zum Abfallsack gehört auch Poule au Pot, eine Suppe der Legehenne.
Der Enthusiasmus der Familie Jenzer zur Verhinderung von Food Waste begann vor rund zehn Jahren, als sie im Geschäft anfing, das längst vergessene Schmelzen von Fett wieder aufleben zu lassen, wie es in der Metzgerei-Branche praktisch verschwunden war und durch Palmfette aus dem Regenwald ersetzt wurde. Früher, als dies noch notwendig war, wurden Tiere bis zum letzten Tropfen Blut verarbeitet und verspeist, erinnert Christoph Jenzer. Dieses Bewusstsein für den Wert des Tieres und generell von Esswaren müsse wieder kommen, fordert der Metzgermeister.
75 Seiten gegen Food Waste
Das Bewusstsein übernommen haben auch seine Kinder Raphael und Annina, die beide auch im Betrieb arbeiten. Als Berufsmaturarbeit hat Annina kürzlich einen Ratgeber zum Thema Food Waste geschrieben. Im Ratgeber schildert sie auf 75 Seiten die Problematik von Food Waste, hat Tipps und Tricks auf Lager, wie man Food Waste verhindern kann und hat mehrere Rezepte aus Produkten zusammengestellt, die häufig weggeworfen werden. Hauptthemen sind altes Brot, aus dem man beste Croûtons, Fotzelschnitten oder Heitisturm – eine Berner Spezialität – oder ganz simpel Paniermehl machen kann, Suppenhühner, die zu Hühnerfrikassee, Pulled Burger oder eben Suppe werden, ganz allgemein Fleisch und Gemüse, das viel zu oft nicht als Ganzes genossen wird. Für die leidenschaftliche Köchin Annina Jenzer ist Food Waste eine Herzensangelegenheit. «Mich stört einfach, dass extrem gute Stücke als Abfall gesehen werden.»
Im Gegensatz dazu werde das Filet überhöht, weshalb davon zu viel gegessen wird und deshalb importiert werden muss. An Food Waste sei oftmals Nicht-Wissen schuld, glaubt Annina Jenzer, die sogleich noch einen Tipp als Filet-Alternative parat hat: «Die Metzgerstückli, die Second Cuts, sind richtig zubereitet wahre Delikatessen und viel aromatischer als Filets.» Heute landen diese vor allem in Wurstwaren und Ragouts.
Den Ratgeber von Annina Jenzer gibt es in den Jenzer-Filialen zu den Spezialitäten.