Wenig Besucher trotz Ausnahmekönner
Der britische Songwriter Jake Bugg gibt vor wenig Publikum auf dem wunderschönen Arlesheimer Domplatz ein schnörkelloses Konzert.
Es gibt weit und breit nur wenige solch stimmungsvolle Veranstaltungsorte wie den Arlesheimer Domplatz. Das geschlossene Ensemble mit den Domherrenhäusern und der prächtigen Barockkirche aus dem 17. Jahrhundert bietet eine grossartige Kulisse für Freiluftkonzerte. Etwas armselig allerdings, dass an diesem ersten von zwei Arlesheimer Abenden im Rahmen des Stimmen-Festivals keine 300 Besuchende auf den Platz finden (siehe Kasten).
Am auftretenden Künstler kann es fast nicht liegen. Der britische Songwriter Jake Bugg zählt in seiner Heimat zu den Grossen, trat etwa am legendären Glastonbury Festival vor Zehntausenden Fans auf, und auch hierzulande (am renommierten Jazz-Festival in Montreux) spielte er schon vor vollen Rängen. Mag sein – und das wäre eine Erklärung –, dass der kommerzielle Stern des erst 29-Jährigen bereits am Sinken ist.
Er näselt wie Bob Dylan und rotzt wie Liam Gallagher
Wie auch immer: Seinen wenigen angereisten Fans und den sonstigen Besuchenden bietet Jake Bugg einen mehr als vergnüglichen Konzertabend zwischen Country, Folk, Rock und Britpop. An der akustischen Gitarre lässt er gleich zu Beginn eine Reihe melancholischer Balladen vom Stapel. Doch noch prägnanter ist er, als er die E-Gitarre umhängt und mit seinen beiden Begleitern an Bass und Schlagzeug rockt – etwa in seinem Hit «Lightning Bolt». Bugg näselt wie Folk-Übervater Bob Dylan, manchmal rotzt er wie Oasis-Sänger Liam Gallagher, bleibt aber im Gegensatz zu seinen offensichtlichen Vorbildern meist geschliffener. Die Songs sind simpel, das Spiel ist schnörkellos und «to the point». Das sind die grossen Stärken des Jake Bugg. In der Einfachheit liegt die grosse Kraft, nichts wirkt hier gekünstelt oder aufgesetzt. Dazu passt der optische Auftritt des Briten, der in einem sozial benachteiligten Viertel in der Industriestadt Nottingham aufgewachsen ist. Ein Wuschelkopf in schwarzer Jeans und schwarzem Shirt, der beim Einkauf im Supermarkt kaum auffallen würde. Die Ansagen sind knapp und bescheiden, mehr als eine Kurzinfo zum Songtitel gibt’s nicht. Zum Schluss des 90-minütigen Sets dankt der zurückhaltende Anti-Star artig fürs Kommen und verschwindet – ohne Zugabe.
Charmebolzen mit dem Zeug zum Rockstar
Im scharfen Kontrast dazu steht der Auftritt von Sam Himself im Vorprogramm. Der gebürtige Basler mit bürgerlichem Namen Samuel Koechlin und Wahlheimat New York liebt die grossen Gesten. Der Charmebolzen sucht den Blickkontakt zum Publikum, erkundigt sich nach dessen Befinden, lässt sich von einer Bewunderin gar ein Bier auf die Bühne reichen. Die Haare aufgestellt und blondiert, die Oberarme tätowiert, ein schwarzes Ledergilet verdeckt den nackten Bauch nur halbwegs. Sam Himself hat den Willen und das Zeug zum Star. Stilistisch ist er im Indie-Rock anzusiedeln, mit Anleihen von New Wave und Post Punk.
Seine Baritonstimme hat grossen Wiedererkennungswert und wirkt einnehmend. Dies gilt nicht im selben Ausmass für die Songs, die zu sehr gefallen wollen und sich just deswegen nicht einprägen. Sams vierköpfige Begleitband ist hochkarätig besetzt: Den Bass zupft etwa Georg Dillier, der seit vielen Jahren mit Anna Rossinelli arbeitet, an der Gitarre werkelt Benjamin Noti, der unter anderen auch mit Steff La Cheffe oder Greis auf der Bühne steht. Diese Konstellation birgt ein Problem: Die Begleitmusiker schmücken Sams Sound, sie prägen ihn aber nicht. Insgesamt kein grandioser Auftritt, doch ein guter. Gut auch der Entscheid der «Stimmen»-Verantwortlichen, auf eine lokale Vorband zu setzen. Das trägt zur dringend nötigen regionalen Verankerung des Festivals und des Spielorts bei.
«Stimmen» will trotz Problemen am Spielort Arlesheim festhalten
(elk/haj) Das Stimmen-Festival und der Spielort Arlesheim – das ist keine einfache Verbindung. Vergangenes Jahr wurden die Konzerte auf dem Domplatz kurzfristig abgesagt, eines in den Burghof nach Lörrach verlegt. Die Organisatoren begründeten dies mit «nicht kalkulierbaren Preissteigerungen in Produktion und Technik». Die Kosten zur Durchführung von Konzerten sind in der Schweiz um einiges teurer als in Deutschland. Auch dieses Jahr verlief der Vorverkauf für die Arlesheimer Konzerte schleppend, wie sich dann in den bescheidenen Besuchendenzahlen bei den Konzerten von Jake Bugg (Freitag) und Luca Hänni (Samstag) bestätigte. Man spüre die Ferienzeit und die Tatsache, dass es generell schwieriger geworden sei, Publikum an Kulturveranstaltungen zu locken, sagt «Stimmen»-Kommunikationschef Ingmar Lorenz. Von einem Vertrauensverlust dem Veranstaltungsort Arlesheim gegenüber könne aber keine Rede sein. «Der Platz ist wunderschön», sagt Lorenz. Es scheint, als wollten die «Stimmen»-Macher den Dreilandgedanken weiter leben und neben dem Hauptort Lörrach weiterhin Konzerte in der Schweiz anbieten.