Mythos, Melancholie und Slapstick
Am Samstag, dem 21. November, findet bei neuestheater.ch in Dornach die Uraufführung von «All you can be! Eurydike und Orpheus» statt. Ein Stück, das Körper sprechen lässt.
Der Sänger und Musiker Orpheus verliert seine Geliebte, Eurydike. Er will sie aus dem Totenreich zurückholen. Mit seiner Musik besticht er den Wächter Charon sowie Hades und Persephone, die über das Totenreich herrschen. Sie lassen Eurydike frei, aber nur unter der Bedingung, dass sich Orpheus auf dem Gang zur Oberwelt nicht nach seiner Geliebten umsieht. Wie kamen Max Merker und Aaron Hitz auf die Verbindung von Commedia dell’Arte und griechischem Mythos? «Inspiration war für uns der Kurzfilm ‹Che cosa sono le nuvole› von Pasolini, der sich mit der Tradition des Marionetten- und Volkstheaters beschäftigt. Die Marionetten werden dort von Schauspielerinnen und Schauspielern an Fäden gespielt, die dem Marionettenspieler ausgeliefert sind, aber auch untereinander das Bühnengeschehen besprechen und kommentieren. Wir haben eine ähnliche Struktur gewählt: Die Marionetten unterhalten sich über ihre Kunst und reflektieren immer wieder ihre Rollen, dazu spielen sie ‹Eurydike und Orpheus›».
Die Commedia dell’Arte wird auch als «italienische Stegreif- oder Volkskomödie» bezeichnet. Hier gibt es feste Charaktere. Die Gattung wurde im 20. Jahrhundert wiederentdeckt und neu belebt.
Menschen brauchen Rollenspiele
Die Wahl des Themas hat mit der Dualität der beiden Reiche von Lebenden und Toten zu tun. «Die Geschichte spiegelt wunderbar die Thematik unserer Rahmenhandlung: Marionetten sind totes Material, das durch die Puppenspielkunst und die Imagination der Zuschauer lebendig wird. Sie können zwischen beiden Welten umherwandeln. Wir nehmen den Mythos und die Spielform zum Anlass, um auf verschiedene Arten über Totes und Lebendiges nachzudenken. Das geschieht zum Teil in ruhigen, assoziativen Bildern, zum Teil über Musik und zum Teil auch mit Slapsticknummern und Ähnlichem.» Merker und Hitz sagen: «Unser Leben ist Rollenspiel und deshalb faszinieren Theater und Film die Menschen seit 2500 Jahren in Europa. Schauspiel ist die wunderbarste Sache der Welt. Rollenspiel weckt Empathie, erlaubt uns, die Welt von einem anderen Standpunkt zu betrachten, Dinge auszuprobieren und Grenzen auszuloten, ohne dass es Konsequenzen im realen Leben haben muss.»
Gewicht liegt auf Körpersprache
«‹Physical theatre› beschreibt eine Theaterform, die verstärkt auf physische Interaktionen ausgelegt ist», so die beiden, «das heisst, Spielanlass und Auslöser ist nicht der gesprochene Text. Wir untersuchen vorrangig und stärker als andere Theaterformen, wie wir mit unseren Körpern sprechen können und welche Geschichten sich damit erzählen lassen. Bei ‹All you can be!› hiess das konkret: Wir haben in den ersten Proben zuerst ausprobiert, wie man sich als Marionette bewegt, welche Körperlichkeit und Interaktionsmöglichkeiten diese Rahmung ergeben. Ebenso mit Orpheus und der Eurydike-Puppe: Auch dort haben wir zuerst geschaut, wie man die Liebe der beiden nonverbal ausdrücken kann. Dann haben wir einzelne Bilder gebaut, diese in eine Reihenfolge gebracht und Texte hinzugenommen, wo wir es für sinnvoll hielten. Die einmalige Aufführung findet im Rahmen des Austauschprojektes vom neuestheater.ch und des Theaters Orchester Biel Solothurn statt. Spielzeiten: 21. November, 19.30 Uhr; 22. November, 18 Uhr im neuestheater.ch in Dornach.