«Man braucht grossen Durchhaltewillen»

Für den Erfolg eines ­Restaurants seien gute Arbeitsbedingungen unabdingbar, sagt Urs Schindler, der neue ­Präsident von Gastro Solothurn.

Seit 30 Jahren im Geschäft: Der Dornacher «Schlosshof»-Wirt Urs Schindler. Foto: Nicole Nars-Zimmer

Mit 24 begann Urs Schindler im «Schlosshof» in Dornach zu wirten. 30 Jahre später tut er es immer noch. Es ist ein Werdegang, den so heute kaum noch jemand auf sich nehmen würde. Nicht einmal er empfiehlt einer so jungen Person, bereits ein eigenes Restaurant zu übernehmen. Gleichzeitig wünscht er sich mehr junge Wirte, die sich für die Branche engagieren.

Doch wer in dem Alter ein Restaurant führt, dem bleibt kaum Zeit für Verbandsarbeit. Und so steigt Schindler mit 56 selbst nochmals in die Hosen. Er hat das Präsidium von Gastro Solothurn übernommen.

Wir beginnen das Gespräch mit dem Fachkräftemangel. Wie dramatisch ist die Lage?

Urs Schindler: Es war schon immer schwierig. Bereits 1989 fand man keine Köche. Während Corona wurden aber viele verheizt. Man trug keine Sorge zum Personal, viele verliessen die Branche. Dabei muss man in jedem Job die guten Leute verwöhnen. Man muss schauen, dass sie glücklich sind und gerne zur Arbeit kommen.

Wo liegt die Schwierigkeit?

Die Arbeitszeiten. Konkret abends und am Wochenende. Wir arbeiten immer dann, wenn die anderen frei haben. Und die ­anderen haben sehr viel frei.

Hat sich der Fachkräftemangel nach Corona entspannt?

Ein wenig. Gute Köche sind immer noch Mangelware. Service- und Hilfsmitarbeiter findet man etwas einfacher. Die Leute sind weniger flexibel als vor Corona. Sie wollen wissen, wann sie arbeiten. Nur: Bei einem Restaurant mit grosser Terrasse kommen bei schönem Wetter viele Leute, wenn es regnet, kommt niemand. Da braucht man flexible Leute. Die bekommst du nur, wenn du gute Arbeitsbedingungen bietest, etwa mit günstigen Essen oder längeren Ferien.

Hat sich die Anspruchs­haltung verändert?

Ich finde nicht. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, es gab immer Jahre, in denen die Arbeitgeber am längeren Hebel waren, dann waren es wieder die Arbeitnehmer. Dieses Jahr fand ich genügend Leute. 2021 war ein schlimmes Jahr. Das Wetter war gut, wir hatten viele Gäste, aber zu wenig Personal. Die ganze Familie half mit, aber es war zu viel. Ich stellte schliesslich auf der Terrasse weniger Tische auf. Vier Mitarbeitende können nicht gleich viel machen wie acht. Das machen sie einen Monat mit, dann kommen sie nicht mehr.

Was haben Sie nun anders gemacht?

Ich bin oft auf der Bettmeralp. Dort habe ich die Leute im Service gefragt: Was macht ihr im Sommer, wenn nichts los ist? Sie gehen nach Österreich. Ich bot ihnen an, zu mir zu kommen. Zwei kamen und haben bei Kollegen Werbung gemacht.

Ist die Hilfe der Familie heute nötig, um wirten zu können?

Sie hilft. Wichtig ist, dass man der Part­nerin einen Arbeitsvertrag gibt. Oftmals arbeitet die ganze Familie für nur einen Lohn. Manchmal sind sie auch als Einzelfirma organisiert, dann müssen sie keine Pensionskassenbeiträge zahlen. Mit 65 bekommen sie dann aber ein Problem und müssen weiterarbeiten.

Droht ein Beizensterben?

Es wird eine Bereinigung geben. Wer es gut macht, hat auch künftig Potenzial. Aber gerade auf dem Land ist es schwierig. Manche Besitzer von Liegenschaften suchen einen Pächter und finden niemanden, obwohl der Mietzins fair wäre. Wenn du einen sicheren Job hast, musst du dich fragen, ob du das Risiko auf dich nehmen willst, ein Restaurant zu eröffnen.

Die Restaurantdichte auf dem Land ist doch schon heute nicht mehr hoch.

Nein. Gempen hat im Dorf kein Restaurant mehr, Seewen auch nicht. ­Damit fehlt der soziale Treffpunkt. Früher traf man sich zum Mittagessen, am Wochenende oder nach Feierabend zum Bier. Das fällt alles weg. Das grösste Problem ist aber der Investitionsbedarf. Wenn du eine Million Umsatz machst, aber 500 000 Franken in ein altes Gebäude investieren musst, hast du keine ­Chance.

Das ist nicht gerade ­Werbung für den Wirteberuf.

Es braucht viel Herzblut. Ich begann mit 24, bekam die Chance, das Haus zu pachten. Das war eine riesige Herausforderung, ich musste viel arbeiten und lernen. Man braucht grossen Durchhaltewillen. Und man muss es gerne machen. Manche spielen gerne Fussball, ich wirte gerne.

Was sagen Sie einem jungen Menschen, der ein Restaurant übernehmen will?

Dass er zuerst ein paar Jahre Erfahrungen sammeln soll. Das Wichtigste ist dann, und das sagte mir bereits mein Lehrmeister: Lage, Lage, nichts als Lage. Und man muss sich Rat suchen bei Leuten, die mehr Erfahrung haben. Und man darf sich nicht von Vermietern übers Ohr hauen lassen. Ich machte damals eine Tour bei alten Beizern und fragte nach Ratschlägen.

Wieso sollte sich jemand die Arbeitszeiten und Unsicherheiten überhaupt antun?

Weil es wunderschöne Momente gibt. Wenn du ein grosses Bankett machst und alle Leute zufrieden sind und applaudieren, ist das eine Erfüllung. Jedes Geburtstagsfest, jedes Mittagessen: Wenn dir die Leute sagen, dass alles super war und sie gerne gekommen sind, ist das ein riesiges Glück. Es ist, wie wenn du Gäste in deine Stube einlädst.

Würden Sie es nochmals gleich machen?

Ich begann mit 24, weil ich Glück hatte. Ich weiss nicht, wer heute noch so früh eine Beiz übernehmen würde. Es ist ja auch eine riesige Verantwortung. Und oftmals hat man dann auch kein Geld. Ich konnte es auch nur dank Unterstützung aus der Familie machen. Du bist blauäugig am Anfang. Du denkst, du kochst und bewirtest. Dann kommen die Ämter, all die Auflagen und Bewilligungen, die es braucht.

Nun haben Sie auch noch das Präsidium von Gastro ­Solothurn übernommen.

Ich sagte ihnen, sie sollten jemanden Jüngeres nehmen. Aber es stellte sich niemand zur Verfügung. Wenn jemand mit 30 eine Beiz übernimmt, hat er so viel zu tun, dass er keine Zeit für Verbandsarbeit hat. Also sagte ich, ich mache es. Das Amt hat viele schöne Seiten. Man kommt viel herum, trifft Berufskollegen. Und die Gastronomie liegt mir am Herzen.

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