«Kosten für Sponsoring und Werbung werden nicht dem Netz belastet»

Der Münchensteiner Energieversorger Primeo Energie erhöht die Strompreise in der Region am stärksten. CEO Conrad Ammann erklärt, weshalb.

Steht Rede und Antwort: Primeo-Chef Conrad Ammann. Foto: Archiv/Kenneth Nars
Steht Rede und Antwort: Primeo-Chef Conrad Ammann. Foto: Archiv/Kenneth Nars

Herr Ammann, Primeo Energie machte kürzlich Schlagzeilen, dass sie in der Region Basel die Strompreise am stärksten erhöht. Wie kommt es zu diesen massiven Preiserhöhungen von bis zu 50 Prozent, während andere Energieversorger weit geringere Erhöhungen ausweisen?

Die Unterschiede hängen wesentlich davon ab, ob Strom mehrheitlich über Eigenproduktion bezogen oder am Markt beschafft wird. Vier von fünf Energieversorgungsunternehmen in der Schweiz beschaffen ihren Strom mehrheitlich am Markt. So auch Primeo Energie. Entsprechend profitierten auch die Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung in den vergangenen Jahren von den sehr tiefen Beschaffungspreisen. Seit Anfang 2021 kennen die Grosshandelspreise an den Börsen nur noch eine Richtung – nach oben – und erreichten Mitte August 2022 mit 600 Franken je Megawattstunde, was einer Verzehnfachung seit 2021 entspricht, den mit Abstand höchsten Wert seit je her. Als Folge der rekordhohen Grosshandelspreise, welche unter anderem durch den Ausfall von grossen Kraftwerken in Frankreich und durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges bedingt sind, muss Primeo Energie den Strompreis auch in der Grundversorgung deutlich anheben.

Hierzu lohnt es sich, bei gleichen Kundenprofilen das Total der Strompreise im kommenden Jahr zu vergleichen. Energieversorgungsunternehmen mit hoher ­Eigenproduktion wiesen in der Vergangenheit aufgrund der über dem Markt liegenden Gestehungskosten bereits ein höheres Preisniveau aus.

Was entgegnen Sie Stimmen, die mutmassen, Primeo Energie würde die ­aktuelle Krise ausnützen, um die Preise möglichst stark zu erhöhen?

Das ist schlicht nicht möglich. Die Strom- und Netztarife und auch die möglichen Gewinne sind reguliert, werden durch die Elektrizitätskommission (Elcom) überwacht und kontrolliert. Zudem ist klar geregelt, was als Kosten eingerechnet werden darf und was nicht. Folglich kann weder Primeo Energie noch ein anderes Energieversorgungsunternehmen die Strompreise nach Lust und Laune definieren.

Welche Prognosen macht Primeo Energie für die künftigen Jahre? Werden solche Preisaufschläge zur Normalität?

Hierzu ist keine seriöse Aussage möglich. Der Strompreis an den Börsen ergibt sich aus dem Angebot und der Nachfrage nach Strom. Zudem sind die Marktpreise im Strombereich stark abhängig von den Marktpreisen der verschiedenen Energieträger. Je nach Situation kann der Preis an den Börsen steigen und sinken.

Primeo Energie stand dieses Jahr dank Sponsorings im Rampenlicht. Hauptsponsor der Tour de Suisse und Königspartner am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest: Wie passen solche ­teuren Engagements zu den massiven Strompreiserhöhungen?

Das Sponsoring und die Werbung von ­Primeo Energie stehen in keinem Zusammenhang mit den Strompreisen. Den Vorgaben des Regulators entsprechend werden die Kosten für Sponsoring und Werbung nicht dem Netz belastet, sondern jenen Geschäftsbereichen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen am Markt und somit dem Wettbewerb ausgesetzt sind. Dies betrifft bei Primeo Energie unter anderem die Bereiche Wärme, Energie und E-Mobilität. Aufgrund der Vorgaben aus der Stromverordnung ist ebenfalls gegeben, dass unsere vier Geschäftsbereiche sowohl buchhalterisch wie auch organisatorisch voneinander getrennt sind. Entsprechend ist klar, dass sämtliche Sponsoring- und Werbemassnahmen keinen Einfluss auf die Endpreise für die Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung haben.

In der Vergangenheit wurde kritisiert, Primeo Energie sei bei der Einspeisevergütung von Privaten mit Fotovoltaikanlagen zu knausrig. Wird es als Primeo-Kunde künftig attraktiver, eine PV-Anlage auf dem Dach zu haben und Energie ins Primeo-Netz zu speisen?

Ja. Per 1. Juli wurden die Rücklieferungstarife bereits angepasst. Für Einspeisungen ab 1. Juli erhalten unsere Tarifkunden neu 14.65 Rappen pro Kilowattstunde anstatt wie bisher 6.2 Rappen. Die Tarife gelten für Anlagen mit Inbetriebnahme ab dem 1. Januar 2017 und für ältere ­Anlagen nach Ablauf der individuellen ­Laufzeitverträge.

«Das Risiko einer Strommangellage ist real»

Weniger lang duschen, Wäsche aufhängen anstatt in den Tumbler und Wasser im Wasserkocher aufkochen statt auf dem Herd – die Angst vor einer Stromlücke im Winter ist gross. Ist sie auch berechtigt? «Ja», heisst es auf Anfrage beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). «Das Risiko einer Strommangellage ist real und gross», sagt Mediensprecher Julien Duc. Übersteigt die Nachfrage nach Strom das Angebot über längere Zeit, liegt das Bewirtschaftungskonzept im Strombereich bereit. Die Bewirtschaftungsmassnahmen zielen darauf ab, Stromangebot und Stromnachfrage auf reduziertem Niveau wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Mit freiwilligen Sparappellen hat der Bundesrat bereits einen ersten Schritt vollzogen. Die Situation ist ernst, warnt Julien Duc: «In der aktuellen Situation zählt jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird.»

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