Klavier-Virtuosin beehrt erneut Aesch
Zum zweiten Mal hat das Neue Orchester Basel die grossartige Pianistin Mélodie Zhao in die Region eingeladen. Sie spielt Bach und Gershwin. Noch vor der Coronakrise wurde die Pianistin exklusiv interviewt.
Die Pianistin Mélodie Zhao hat das Publikum bereits vor zwei Jahren zu stehenden Ovationen gebracht, nun beehrt die 27-Jährige erneut die Region Basel. Eingeladen wurde sie vom Neuen Orchester Basel, das unter der Leitung von Christian Knüsel 2020 mit Beethovens 9. Sinfonie im neuen Stadtcasino Basel eine sensationelle Saisoneröffnung gefeiert hat.
Wochenblatt: Seit wann wissen Sie, dass Ihre Zukunft die Musik sein würde? Was hat Ihre Karriere am meisten beeinflusst?
Mélodie Zhao: Seit dem Tag, als ich zum ersten Mal bewusst die Tastatur eines Klaviers berührte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das, was mich am meisten beeinflusst hat, war immer etwas Abstraktes, Imaginäres. Das Ergebnis des Klangs. Natürlich hole ich meine Inspiration bei zahlreichen Giganten der Musik und ihrer Persönlichkeit: Beethoven, Liszt, Ella Fitzgerald, Art Tatum, Glenn Gould und Freddie Mercury.
Es gibt einen Kurzfilm Ihrer Schwester, in welchem Sie sich ironisch über die Gesellschaft lustig machen. Nicht allen Fans von Ihnen hat das Video gefallen. Gefällt es Ihnen mit Klischees und Erwartungen zu spielen.
Der Film wurde tatsächlich von mir selbst realisiert und wir arbeiten an anderen Projekten mit meiner Schwester, für die ich Filmmusik schreibe. Ich versuche in jedem meiner Projekte so authentisch wie möglich zu sein, in Bild und Musik. Ich möchte die klassische Musik möglichst vielen zugänglich machen und Menschen meiner Generation für dieses unerschöpfliche Genre, in dem wir uns alle selbst finden und ausdrücken können, begeistern.
Was verbindet Sie mit der Region Basel? Wie kamen die Kontakte zu Stande?
Ich habe sehr persönliche Beziehungen zu Basel, wo mein Taufpate lebt, der Philosoph und Wagnerspezialist Felix Belussi. Er ist die ursprüngliche Bezugsperson zu meinen inzwischen zahlreichen Freunden und Projekten in Basel.
Sie präsentieren in den kommenden Konzerten Bach und Gershwin. Von Chopin, Liszt und Beethoven ist das ein grosser Sprung in den Barock. Was ist für Sie bei Bach wichtig zu beachten?
Die Magie von Bachs Musik liegt zweifellos in der kontrapunktischen Kraft seiner Musik. Aber immer ist diese an tiefe emotionale Werte gebunden. Bach ist unvergleichlich in seinen wechselnden Farben, die manchmal mehrmals pro Takt zu finden sind. Für mich ist er eine der musikalischen Säulen, welche die Kompositionstechnik und -theorie am besten in den Dienst des musikalischen Denkens gestellt haben.
Was verbindet Johann Sebastian Bach mit George Gershwin?
Viel und sehr wenig auf einmal. Wenn wir die Entwicklung der klassischen Musik, die Gershwin dazu brachte, seine Meisterwerke zu komponieren, betrachten, spielt Bach darin eine Hauptrolle, indem er ausnahmslos alle Komponisten beeinflusste, die nach ihm kamen. Aber Gershwin hat die Geheimnisse der klassischen Musik in eine völlig neue, vom Jazz abgeleitete Klangsprache verwandelt.
Welche Klavierkonzerte haben Sie im Repertoire?
Etwa siebzig, vor allem alle Publikumslieblinge und einige andere, von denen man wenig hört. Ich könnte hier integral Mozart, Beethoven, Chopin, Liszt, Rachmaninow, Mendelssohn, Saint-Saëns, Bach, Schostakowitsch, Bartók, Brahms u.a. anführen.
Die Konkurrenz unter den Pianistinnen und Pianisten ist gross. Die Versuchung besteht, sich mit «schneller, lauter» oder Marotten in der Interpretation vom Mainstream abzusetzen. Sehen Sie eine Chance, sich mit Ihrem ungekünstelten, textgetreuen, aber nie akademisch trockenen und auf den grossen musikalischen Bogen ausgerichtetem Spiel auf dem brutalen «Markt» zu behaupten?
Ich stelle fest, dass der Wettbewerb heute nicht mehr nur auf der Ebene des Spiels, sondern auch und vielleicht vor allem auf der Ebene der Persönlichkeit des Künstlers stattfindet. Letzteres erlaubt es uns, uns im Hinblick auf unsere Karriere «durchzusetzen». Aber musikalisch gesehen ist es das Wichtigste, sich und seinem musikalischen Ideal treu zu bleiben, wenn man ein bestimmtes Niveau erreicht hat. Die Frage nach dem Geschmack ist insbesondere in einer Zeit, da wir mit Informationen übersättigt sind, völlig subjektiv. Manchmal ist es eine Herausforderung, uns an unsere eigenen Werte und eigenen Empfindungen festzuhalten, anstatt sich von äusseren Einflüssen an der Nase herumführen zu lassen. Und ich bin überzeugt, dass sich gerade diese Authentizität am Ende auszahlen wird.
Neues Orchester Basel und Mélodie Zhao: American Dream, Bach und Gershwin, Katholische Kirche Aesch, 12. November, 19.30 Uhr. www.neuesorchesterbasel.ch.