«Faust» – elegant auf den Punkt gebracht

Die Premiere des «Faust» unter der Regie von Andrea Pfaehler und Eduardo Torres am Goetheanum war ein voller Erfolg. Neu dauert das Stück nur noch rund neun Stunden.

Faust, umgarnt von den vier Mephisti (v. l.): Barbara Stuten, Urs Bihler, Bernhard Glose, Rafael Tavares und Markus Schönen.  Foto: Lucia Hunziker / ZVG
Faust, umgarnt von den vier Mephisti (v. l.): Barbara Stuten, Urs Bihler, Bernhard Glose, Rafael Tavares und Markus Schönen. Foto: Lucia Hunziker / ZVG

Heinrich Faust ist ein deutscher Gelehrter, der der Kunst und der Wissenschaft überdrüssig ist. Er weiss nicht, dass Gott und Mephisto – der Teufel – um seine Seele eine Wette abgeschlossen haben, und geht mit ihm einen teuflischen Pakt ein, der Faust alles verspricht, bis die Zufriedenheit sein ewiges Streben ablöst. Faust wird verjüngt, verliebt sich in das unschuldige Gretchen, das er verführt, schwängert und zur Mutter- und Kindsmörderin macht. Gretchen wird daraufhin verurteilt und stirbt.

In Teil II machen sich Faust und Mephisto auf zu einer Reise durch die grosse Welt. Faust will erkennen, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Er ist der strebende Mensch schlechthin, kein Heroe, kein Übermensch. Goethes Tragödie, deren erster Teil 1808 veröffentlicht wurde, behandelt Themen, die auch heute noch hochaktuell sind. So werden im zweiten Teil die Gefahren der Inflation, des Krieges, aber auch die Angst vor der Verselbstständigung künstlicher Intelligenz angesprochen.


Ernstes leichtgängig gemacht
Georg Darvas, zuständig für die Dramaturgie, kürzte die siebzehnstündige Fassung auf neun Stunden herab, sehr zum Gewinn des Dramas, dessen zweiter Teil von Goethe nie als Bühnenstück gedacht war. Die Szenenwechsel erfolgen Schlag auf Schlag, Dramaturgie, Bühnenbild (Nils Frischknecht), die Vielfalt und Verspieltheit der Kostüme (Julia Strahl) und die Lichtgestaltung (Klaus Suppan) lassen keine Wünsche offen. Die Reise durch die kleine Welt des ersten Teils wirkt bis auf die leichtfüssigen Tanz- und Spaziergangszenen durch das Kammerspielartige oft beengt. Im zweiten Teil, beim Gang durch die grosse Welt, öffnet sich der Bühnenraum zu starken Bildern, die mit mobilen Bühnenelementen, transparenten Vorhängen, Projektionen und starken Lichteffekten erzielt werden. Die hier von Faust geschaute Welt wird allein durch Goethes Wort und die hervorragend choreografierte und stimmig eingesetzte Eurythmie von Eduardo Torres erlebbar. Das ganze Stück ist die theatralische Repräsentation der inneren Entwicklung und Wandlung Fausts bis zu seiner Erlösung durch die Lichtkräfte. Dass dieses ernste Thema mit Schalk, Ironie, Leichtigkeit und gut eingesetzter Livemusik inszeniert werden kann, hat das spielfreudige «Faust»-Team bei der Premiere bewiesen.


Hervorragende Ensembleleistung
Dem fast zu kontrolliert spielenden unverjüngten Faust (Dirk Heinrich) nimmt man die Leidenschaft für die Magie nicht ganz ab, aber Dirk Heinrich steigert sich im zweiten Teil. Bernhard Glose kommt als junger Faust leidenschaftlicher über die Rampe. Die Idee, Mephisto auf vier Personen aufzuteilen, erweist sich als kluger Schachzug. Urs Bihler brilliert als alter Zynikus, Barbara Stuten, die sich im zweiten Teil entfalten kann, gibt ihren Anteil am Bösen mit viel Häme. Dagegen zeigt Markus Schönen als agil-akrobatischer Mephisto einen maliziösen Schalk und eine starke Bühnenpräsenz, die immer wieder mit Lachern quittiert werden. Rafael Tavares übernimmt den eurythmisch-pantomimischen Teil des Bösen und verstärkt die sprechenden Mephisti. Gretchen wird von Ludowika Held dargestellt. Die siebzehnjährige Elevin der Jungen Bühne Dornach bringt alle Voraussetzungen mit, das unschuldige und gutgläubige Gretchen zu verkörpern. Ihr eignet Anmut, Einfühlungsvermögen und gute Diktion. Auch den Schmerz und die Verzweiflung vermag sie emotional zu vermitteln. Überhaupt sind Verständlichkeit des Textes und Diktion zu loben, auf die Andrea Pfaehler grossen Wert legt.


Mutiges Intermezzo
Überraschend und mutig ist die kleine Oper von Elmar Lanson in der Euphorion-Szene am Schluss des dritten Akts des zweiten Teils, die mit ihrer modernen Musik die Zuschauer gleichsam aus dem Traumartigen herausreisst und die Zerrissenheit Fausts spiegelt. Der zweite Teil ist sonst reine Imagination. Es ist grosses Traumkino, das sich hier ereignet. Der vierte und der fünfte Akt bringen nochmals eine Steigerung von der grossen Schlacht bis zur Ermordung von Philemon und Baucis sowie der Erblindung und dem Tod von Faust. Dramaturgisch schlüssig ist, dass die Schlusssätze als Goethes «Weltformel» von allen Mitspielenden gesprochen werden. Stürmischer Applaus und Standing Ovations für einen äusserst geglückten «Faust». Unbedingt zu empfehlen ist auch das schön gestaltete Programmheft mit Szeneneinführungen von Georg Darvas und einem bebilderten Rollenverzeichnis. Weitere Aufführungen finden am Wochenende vom 17. bis 19. Juli und 24. bis 26. Juli, sowie vom 24. bis 25. Oktober statt. Mehr Informationen unter www.faust.jetzt.

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