Einst bekämpft, bald in aller Munde

1996 eröffnete in München­stein der erste McDrive der Nordwestschweiz. Jetzt wird die Filiale neu gebaut. Da kommt Wehmut auf.

Doppelstöckig: Der neue McDonald’s ist pavillonartig aufgebaut, der Innenraum wird loungiger. Foto: zVg
Doppelstöckig: Der neue McDonald’s ist pavillonartig aufgebaut, der Innenraum wird loungiger. Foto: zVg

Wenn heute McDonald’s eine neue Filiale eröffnet, ist das den Zeitungen kaum ein paar Zeilen wert. Ganz anders früher. Mit jedem neuen Standort wurde der Untergang der hiesigen Esskultur heraufbeschworen, ein Verfall der Sitten, eine Verluderung der Jugend. Stets versuchte die Gegnerschaft, Lokale mit dem gelben «M» zu verhindern.

Doch die breite Bevölkerung machte nie mit bei den Boykottaufrufen. Ihr mundeten Burger, Pommes frites und Co. Die Leute kamen in Scharen, wenn ein neuer «Mecki» aufging. So war es auch am 21. September 1996, einem Samstag.

Um 9 Uhr klappte die neue Filiale in Münchenstein die Fensterluken herunter. Es war der erste Drive-in von McDonald’s in der Nordwestschweiz. Nun konnte man sich Hamburger, Chicken McNuggets und Cola ins Auto reichen lassen. Wie man es aus Filmen kannte.

Der McDrive lag ideal in einem Gewerbegebiet vis-à-vis der Motorfahrzeug-Prüfstation. Am Eröffnungstag brach der Verkehr auf der MFP-Kreuzung zusammen. Einen Kreisel gab es noch keinen. Verkehrskadetten mussten die Kundschaft zur Einfahrt dirigieren.

Das heimelige geknickte Walmdach verschwindet

Wo der McDrive stand, klafft jetzt eine Grube. Die Filiale wird ersetzt. Anfang Juli ging der vorläufig letzte Burger über den Tresen. Die Wiederöffnung ist per Mitte Oktober vorgesehen. Den neuen McDrive wird man nicht wiedererkennen. Weder aussen noch innen.

Eine kaum honorierte Leistung von McDonald’s ist es, mit seinen Filialen ­Heimat zu schaffen in der globalisierten Welt: mittels Wiedererkennung. Für die McDrives – in den USA heissen sie Drive Thrus – gibt es einen Bausatz an Standardbauten, die überall gleich aussehen. Egal ob in Tokio, Rio de Janeiro, L.A. oder Münchenstein. Das Modell, das in Münchenstein stand, war besonders typisch: ein eingeschossiges Gebäude mit geknicktem Walmdach. Ab den 1960er-Jahren wurde dieser Typ gebaut, weltweit und zu Tausenden. Bis auf eine Ausnahme sahen auch alle sieben McDrives im Baselbiet so aus. Zunächst waren die Ziegel rot. Doch als sich der noch immer umsatzstärkste Fast-Food-Anbieter der Welt einen ökologischeren Touch verlieh, wurde das Dach dunkelgrün.

Das McSchlumpfenhäuschen in Münchenstein war das erste und ist das zweitletzte seiner Art in der Region. Was nun kommt, kann man schon heute bestaunen. Etwa in Hendschiken, Aargau. Ein grün-brauner Kubus, zweigeschossig, pavillonartig. Der Innenraum wird loungiger, mit Sofas und Barhockern.

Dass die McDrives gleich komplett neu errichtet werden, hat auch mit der Digitalisierung zu tun. Sie hat die Schnellgastronomie erfasst. Verspätet, dafür mit voller Wucht. Es gibt nichts Analogeres, als Hamburger zu verkaufen, möchte man meinen. Doch laut den Plänen der McDonald’s-Zentrale in Chicago geht da mehr. Die Kundschaft soll ihr Menü im Voraus bestellen, per Smartphone-App. Sie ortet das Fahrzeug. Wenn die Gäste in der Filiale eintreffen, steht ihr Essen parat. Was McDonald’s vor allem will: Daten sammeln. Wissen, wer wann was isst. In den USA experimentiert McDonald’s mit einer Software, die selbstständig Bestellungen aufnimmt. Ihr Name: Apprente.

Konzern drohte mit Rückzug aus Baselland

«Baselbiet vor einer Hamburger-Inva­sion», titelte die «Basler Zeitung» 1995. Damals wurde bekannt, dass McDo-nald’s gleich an vier Orten im Baselbiet McDrives eröffnen wollte, in Münchenstein, aber auch in Allschwil, Füllinsdorf und Therwil. Private legten Einsprachen ein. Anwohnende organisierten sich. In Füllinsdorf lancierten Schülerinnen und Schüler eine Petition. Solches war sich McDonald’s gewohnt. Schon 1979, als die Filiale am Barfüsserplatz in Basel – die erste in der Deutschschweiz – eröffnete, wurde genörgelt, so was brauche man in Basel nicht. Die Heimatschutzkommission, die heutige Stadtbildkommission, störte sich am Schriftzug am Altstadthaus. Die Filiale wurde gerade erst umgestaltet. Bei der Expansion ins Baselbiet stiess McDonald’s auf so viel Widerstand, dass man sogar in Erwägung zog, sämtliche Gastwirtschaftsgesuche zurückzuziehen. Stein des Anstosses war das Vorgehen des Lufthygieneamts beider Basel. Es verlangte im Rahmen der Baugesuche in Allschwil, Therwil und Füllinsdorf zusätzliche Abklärungen darüber, wie die Drive-ins die Luftqualität beeinflussen. McDonald’s reagierte pikiert. Zuvor, 1995, hatte ein Landrat im Kantonsparlament eine Motion eingereicht, die verlangte, der Kanton solle McDonald’s kein Land zur Verfügung stellen. Das Areal, auf dem das Restaurant in Münchenstein steht, gehört dem Kanton Baselland. Er hatte es im Baurecht an eine Drittpartei abgegeben, die wiederum den Vertrag mit McDonald’s Schweiz abschloss, mit Einverständnis des Kantons. Die damalige Baudirektorin, Elsbeth Schneider, sagte bei der Behandlung des Vorstosses im Landrat im November 1995, man könne über Essgewohnheiten verschiedener Meinung sein. Doch das Restaurant verstosse nicht gegen die guten Sitten und schaffe Jobs. Die Motion wurde abgelehnt.

Heute gibt es sieben McDrives

Heute gibt es im Landkanton sieben McDrives. Sie stehen, neben jenem in Münchenstein, in Allschwil, Füllinsdorf, Laufen, Pratteln, Therwil und Sissach. Der Widerstand gegen die Burgerluken mit Strassenanschluss ist verebbt. Auch in Münchenstein. «Die Lizenznehmerin», schreibt Gemeindepräsidentin Jeanne Locher, «hält sich an die Abmachungen mit der Gemeinde.» Nicht nur das: Das Personal gehe auch auf Putztour, schreibt Locher, und entferne Abfall «auf eigene Kosten bis weit in die angrenzenden Quartiere».

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