Der Herr der Baselbieter Burgen

Warum Peter Saladin lieber Ruinen saniert als Einfamilienhäuser baut.

Peter Saladin: Früher leitete er Baustellen, beispielsweise jene der Ruine Pfeffingen. Foto: Nicole Nars-Zimmer
Peter Saladin: Früher leitete er Baustellen, beispielsweise jene der Ruine Pfeffingen. Foto: Nicole Nars-Zimmer

Seine Hände verraten nicht, was Peter Saladin fast sein halbes Leben gearbeitet hat. Seit 35 Jahren reisst er an Burgruinen alte, bröckelnde Mauern ab und zieht neue hoch. Vier Burgen hat er als Polier, also als Chef der Baustelle, mitgestaltet: Dorneck, Pfeffingen, Birseck und zuletzt die Farnsburg, die kürzlich fertiggestellt wurde. Für sie ist der 68-Jährige sogar aus dem Ruhestand zurückgekehrt.

Mauern, schalen, betonieren und verputzen: Wenn es ums Handwerk geht, beginnt der gelernte Maurer zu erzählen. Seine Augen glänzen, die Hände ohne Verschleissspuren. Keine Schwielen, kein Dreck, keine Risse. «Du klopfst mit dem Hämmerli auf den Stein, und wenn es hohl klingt, muss die Mauer weg», erklärt Peter Saladin. «Aber oft sieht man das schon.» Saladin hat ein geschultes Auge und viel Erfahrung. 1998 leitete er seine erste Burgensanierung bei der Ruine Dorneck.

Der Winter führt zu Rissen

Dass die Burgruinen überhaupt saniert werden müssen, liegt daran, dass Zement bis in die 1930er-Jahren zum Allzweckbaustoff avanciert war. Auch viele Burgen wurden damit restauriert. Das Problem von Zement ist, dass dieser sehr fest ist und wenig Wasser durchlässt, dieses aber nicht abfliessen kann. Im Winter, wenn das Wasser gefriert und sich ausdehnt, entstehen Risse. Das Mauerwerk bröckelt, droht einzustürzen.

Ob von Ruinen oder Burgen gesprochen wird – für Saladin ist es dasselbe. Die historische Einschätzung der Bauten und ihrer Bedeutung überlässt er den Archäologinnen und Archäologen, welche die Bauproben bei Sanierungsarbeiten säuberlich archivieren.

«Es ist schon faszinierend, wie diese Felsblöcke damals ohne Kran auf den Berg gebracht wurden. Aber mein Ding ist das Handwerkliche.» Dass der gelernte Maurer aus Duggingen Burgenbauer wurde, hat sich ergeben, als er nach der Stifti einen Kurs beim Denkmalschutz des Kantons Solothurn besuchte. Da habe es ihn «reingezogen». Burgen zu sanieren ist vielseitiger, als ein Einfamilienhaus zu bauen, das ist für ihn klar. Bei den Ruinen treffe man auf bauliche Herausforderungen, die sich nicht planen liessen. «Du musst ausprobieren, kreativ sein.» Da sei er selbst ein bisschen Burgherr. Anders als bei anderen Baustellen wird zum Beispiel der Mörtel – der Baustoff, der dazu dient, die Gesteinsblöcke zu verbinden – in der Mörtelküche auf der Baustelle frisch gemischt. Auch Pinsel und zwei Staubsauger sind essenziell für die Arbeiten an den Ruinen.

Eingeklemmte Finger, keine schweren Unfälle

Die Praktiken, die es für die Sanierung von Burgen brauche, lernten Maurer heute nicht. So sei er auf der Farnsburg, die er in den vergangenen dreieinhalb Jahren zusammen mit rund 15 Mitarbeitern saniert hat, der Einzige mit Schweizer Pass gewesen. Das Fachwissen bringen vor allem Arbeiter aus Italien oder dem Balkan mit. Die jahrelange Erfahrung ist Grund, warum der 68-Jährige trotz Pensionierung bis jetzt weitergearbeitet hat. «Wenn mir ein Kollege erklärt, wo und wie eine Burg wieder aufgebaut werden soll, kann ich von blossem Auge sagen, ob das funktionieren wird», erklärt Peter Saladin nicht ohne Stolz. Eine Herausforderung des Burgenbaus sei, dass die Blöcke direkt vom Steinbruch zur Baustelle transportiert würden. Dort werden sie zuerst gewaschen, jeder einzelne Stein. Dann braucht es den Blick dafür, welcher Stein wo in die Mauer passt. Denn am Ende muss jeder der Steinblöcke eingebaut sein – ein bisschen wie beim Spiel Tetris. 750 Tonnen Steine hätten sie beispielsweise bei der Ruine Pfeffingen vermauert.

«Zum Glück ist es während meiner Zeit als Baustellenleiter nie zu schweren Unfällen gekommen», sagt Saladin. Das grösste Risiko auf den Baustellen sei nicht die Absturzgefahr, sondern Steinschlag. Da die Mauern nicht von oben nach unten zurückgebaut, sondern von unten abgetragen werden, gelte es zu beachten, dass die Statik stimmt, «sonst landest du unter einer Gerölllawine».

Doch eingeklemmte Finger, weggeknickte Füsse oder überanstrengte Gelenke, das sei normal. Schliesslich hievten sie Gesteinsblöcke mit zwischen 10 und 25 Kilogramm durch die Gegend. «Auch im Rücken spürt man es irgendwann», so Peter Saladin.

Burgen zu sanieren, ist nur ohne Schnee und Eis möglich. In den Wintermonaten arbeitete Saladin bis zur Pensionierung an Projekten wie Einfamilienhäusern oder Gärten. Das Schwierigste, was er je gebaut habe, sei das Kinderschwimmbecken in Arlesheim gewesen. «Als ich die Pläne des Beckens sah, dachte ich, vor mir liege ein Schnittmuster.» Ob Burgen oder konventionelle Baustellen, für ihn habe immer gegolten: Je komplizierter ein Bau, desto interessanter.

Die Farnsburg sei nun aber die letzte Burg gewesen, die er als Baustellenleiter begleitet habe. Langweilig werde es ihm aber bestimmt nicht. In Duggingen ist er Waldchef des Bürgervereins, hinter seinem Haus grasen seine Schafe, und diesen Nachmittag hilft er, eine Wildblumenwiese zu mähen. «Ich war schon immer ein Naturmensch», meint er. Hauptsache, draussen arbeiten, und das mit den eigenen Händen.

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