Dem Geheimnis der Ruine auf der Spur
Unter dem Schloss Dorneck sollen blutrünstige Rituale stattfinden. Zwei Reporter begaben sich auf die Suche und fanden keine Satanisten – dafür eine alte Bunkeranlage.
Wie bei vielen Menschen war auch bei Alois Hasler das Erstaunen gross. «Mein Enkel hat mir ein Video der Sendung geschickt», sagt der Schlosswart der Ruine Dorneck. Der Pensionär macht sich gerade daran, die Spuren einer Party vom vergangenen Wochenende zu beseitigen, die auf dem einstigen Schloss oberhalb von Dornach stattfand. Er sammelt Bierflaschen, Pappteller und Verpackungen zusammen und leert gleich noch den Abfalleimer.
Schlosswart Alois Hasler und Nico Piazzalonga, der Führungen zu Burgen in der Region anbietet, sind der Einladung der bz gefolgt. An diesem kalten Montagnachmittag möchten wir auf den Grund gehen, was nicht nur den Enkel des Schlosswarts interessieren dürfte: Trifft sich unter der Ruine Dorneck ein satanistisches Netzwerk, das dort Kinder tötet? In einer SRF-Dokumentation vom Dezember letzten Jahres, die für Aufsehen sorgte, behauptete dies ein Lehrerpaar aus dem Baselbiet. Während sie zu grosse Angst hatte, um die Ruine überhaupt zu betreten, zeigte er vor der Kamera im Innern der Anlage auf eine grosse Holztüre. Der Lehrer erklärte: «Dahinter beginnt offenbar ein Gangsystem.»
Während die Fernsehreporter die Ruine wieder verliessen, ohne einen Einblick zu erhalten, dürfen wir bei unserem Besuch reinschauen. Wir halten uns am Geländer fest und gelangen auf einem engen Weg zur Türe, auf der sich einige mit Graffiti verewigt haben. Die Wand nebenan ist, wie grosse Teile der Ruine Dorneck, mit Efeu zugewachsen. Alois Hasler dreht den Schlüssel der Holztüre, die in den westlichen Zwillingsturm der Ruine führt. Leitern, Schaufeln, Besen, Abfallsäcke und ein Schubkarren kommen zum Vorschein. Sollte hier der Ausgangspunkt eines Gangsystems sein, hätten die Verantwortlichen ihn gut getarnt. Durch zwei kleine Fenster kann man nach unten auf den Burgkomplex schauen.
Für den Schlosswart sind solche Gerüchte neu
Als wir uns umsehen, sagt Hasler schulterzuckend: «Es handelt sich einfach um einen Abstellraum.» Bis zur Fernsehsendung sei ihm noch nie zu Ohren gekommen, dass blutige Rituale stattfinden sollen. «Ich bin ziemlich häufig auf der Ruine. Von so etwas habe ich nichts mitbekommen», hält er nüchtern fest. Seit 38 Jahren übe er diese Tätigkeit mittlerweile aus. Vor allem in Sommermonaten komme es immer wieder zu Festen, die manchmal auch ausarteten. Aber Satanisten sei er auf seinen Rundgängen niemals begegnet.
In der Doku ist die Rede davon, dass sich unter der Ruine Dorneck geheime Gänge befinden sollen. Nico Piazzalonga hat vor, neben anderen Burgen im Raum Basel künftig auch Interessierte über die Ruine in Dornach zu führen. Deshalb beschäftigte sich der 25-Jährige, unabhängig von unserer Anfrage, mit der Geschichte der Anlage. Er stellt klar: «Ja, es gibt unterirdische Räume unter der Ruine Dorneck. Aber dabei handelt es sich um zugemauerte Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg.» Der Schlosswart ergänzt: «Schon als ich damals begonnen habe, waren die Bunker nicht mehr begehbar.» In all den Jahren sei er auch kaum auf diese angesprochen worden.
Die Ruine Dorneck ist ein beliebtes Ausflugsziel. Dass das Schloss, das um das Jahr 1050 entstanden ist, im Mittelalter wichtig war, ist den meisten klar. «Wahrscheinlich wissen viele Besuchende aber nicht, dass die Ruine auch im 20. Jahrhundert eine historische Bedeutung hatte», sagt Piazzalonga. Er läuft voraus und zeigt uns einen der zubetonierten Eingänge zu den Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch an dieser Wand sind Schmierereien hinterlassen worden. Satanistische Symbole sind keine zu sehen.
Nachzuschauen, ob sich hinter den Betonwänden tatsächlich Ungeheuerliches ereignet, ist unmöglich. Ein Beitrag über die Geschichte der Ruine Dorneck des Mittelalterarchäologen und Kunsthistorikers Guido Faccani gibt Aufschluss über die Gänge: Er schreibt: «Nach der Ruinierung im Jahr 1798 hatte die Anlage von Dorneck keine Funktion mehr als militärstrategischer Punkt. Etwa 140 Jahre später, also kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, begann das Büro für Befestigungsbauten mit der jüngsten Bewehrung der Anlage.» Im Süden der Ruine habe man drei Kavernen in ostwestlicher Richtung quer in den Hügelzug treiben lassen. Von den Stollen zeugen Pläne der Armee, die wir vom Solothurner Amt für Denkmalpflege und Archäologie erhalten. Der Solothurner Denkmalpfleger Stefan Blank schränkt jedoch ein: «Wir sind nicht in der Lage, die in den Unterlagen gezeigten Grundrisse im Gelände genau zu verorten.» Seit 1970 ist sein Amt für den Komplex zuständig.
Entsetzen und Amüsement
Die einst als vertraulich deklarierten Dokumente zeigen auch, dass die drei Kavernen im Dezember des Jahres 1983 deklassiert und zugemauert wurden. Beat Wyser, der den Bunkerverein Kleinlützel präsidiert, sagt dazu: «Bis in die 1980er-Jahre besass die Schweizer Armee noch 23000 Bunkeranlagen. Während des Kalten Kriegs gab sie viele auf, da sie sie für nicht mehr zeitgemäss hielt.» Einen Bunker zu öffnen, müsste durch den Bund geschehen.
Dass unter der Ruine Dorneck Satanisten ihre Rituale abhalten, glauben weder Schlosswart Alois Hasler noch Burgenexperte Nico Piazzalonga. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Amüsement schauten sie die Fernsehsendung. «Burgen waren immer Orte, um die sich Legenden rankten», sagt Piazzalonga. Nun seien, angesichts der weltweit verbreiteten Verschwörungserzählung über eine satanistische Elite, die Kinder opfert, Satanisten an der Reihe.