Waisenhaus und Ferienheim in einem
Ausgesetzte Katzen, artfremd gehaltene Hunde oder verwaiste Papageien – im Provisorium des Tierschutzes beider Basel findet sich manch liebenswertes Tier, das auf einen neuen Menschen wartet, der gut zu ihm ist.
Edmondo Savoldelli
Wir wären froh, es bräuchte keine Tierheime», sagt Béa-trice Kirn, seit fünf Jahren Geschäftsleiterin beim Tierschutz beider Basel. Doch soweit sind wir in unserer Gesellschaft noch lange nicht. Der Umgang mit unseren Haustieren ist in vielen Fällen alles andere als brüderlich und schwesterlich. Und ohne Tierschutz gäbe es wie in andern Ländern viel mehr Strassentiere und wilde Populationen, welche Krankheiten auch auf den Menschen übertragen können.
Die drei Chihuahua-Damen Perla, Meiti und Pyra sind ganz aufgeregt und begrüssen den Besucher laut bellend durch die Glasscheibe. Sie sind Opfer in einem grossen Tierschutzfall und entstammen «tierschutzrelevanter Tierhaltung», wie das im Fachjargon heisst.
In einer andern Box wuseln fünf Meerschweinchen durch die mit Holzschnitzeln, Höhlen und Baumästen reich strukturierte grosszügige Anlage. Sie wurden letzte Woche in einer Kartonschachtel gefunden und im Tierheim abgegeben. Die jungen Katzen in der Quarantäne hingegen entstammen einer halbwilden Population auf einem abgelegenen Bauernhof. Der Bauer hatte die ausgesetzten Tiere entdeckt und den Tierschützern gemeldet. Jedes der über 300 Tiere, für welche zurzeit in Münchenstein gesorgt wird (Katzen, Hunde, Vögel, Kaninchen, kleine Nager, Schildkröten usw.), hat seine eigene, oft leidvolle Geschichte.
«Die Art der Tierhaltung ist ein Spiegel unserer Gesellschaft», erklärt Béatrice Kirn. Viele vereinsamte ältere Menschen, aber auch junge Singles hielten sich Haustiere zur Kompensation ihres Alleinseins. Und wenn dann der Eintritt ins Altersheim anstehe, der Arbeitsplatz oder die Wohnung gewechselt werde oder die Ehe auseinandergehe, sei kein Platz oder keine Zeit mehr da und man gelange ans Tierheim. Oft werde vorausgesetzt, das Tierheim «müsse» als staatliche Institution die Tiere aufnehmen.
Private Organisation
Dem ist aber nicht so. Der Tierschutz beider Basel (TbB) ist 1998 als privater Verein aus dem Zusammenschluss der Vorgängerorganisationen in den beiden Halbkantonen entstanden. «Wir erhalten keine Subventionen», betont Kirn. In Münchenstein arbeitet der TbB mit 26 Mitarbeitern, grössten Teils Tierpfleger von Beruf, 365 Tage im Jahr im Dreischichtenbetrieb täglich 12 Stunden von 7 bis 19 Uhr.
Mit Betriebskosten von jährlich 2,8 Mio. Franken ist der grösste Schweizer Tierschutzverein ein KMU stattlichen Ausmasses, das auf Spenden und Legate angewiesen ist. Mit Dienstleistungen wie Hundesalon, Tier-Physiotherapie, Hundekurse, Schulführungen, Workshops und Tierpension etc. hat der TbB sein Angebot und damit seine Einnahmequellen erweitert. «Dies ist dringend nötig in Zeiten, in welchen die Spendenfreudigkeit zurückgeht», erklärt Kirn. In Münchenstein gibt es jetzt auch die Möglichkeit, Firmenanlässe durchzuführen und dadurch die Anliegen des Tierschutzes näher an den Mann und an die Frau zu bringen. Schon einige Unternehmen haben diese Gelegenheit benutzt.
Neubau in der Breite
Aber warum das Walzwerkareal? Die neue Tierschutzverordnung von 2008 schreibt für die Tierhaltung von Kleintieren neue Bedingungen vor, welche das Tierheim in der Breite in Basel nicht erfüllen konnte. Ein Neubau am gleichen Standort, den man der günstigen Baurechtsbedingungen wegen nicht aufgeben wollte, ist geplant. Im Walzwerk hat man deshalb für 2,1 Millionen Franken einen Übergangsstandort realisiert und gleichzeitig die neuen Tierschutzbestimmungen eingehalten. Obwohl ein Provisorium, zeigt sich die Anlage hell, grosszügig und ästhetisch gestaltet und lädt zu einem Besuch ein. Vielleicht findet der eine oder andere verantwortungsvolle Tierhalter ja hier seinen neuen tierischen Freund.