Sein Ausgleich liegt im Neuen
Der Münchensteiner Architekt Rolf Stalder übergibt sein Restaurant Gartenstadt in neue Hände. Der umtriebige Unternehmer will keine ruhige Kugel schieben, sondern Verwirklichung in neuen Projekten finden.
Rolf Stalder ist eine einnehmende Persönlichkeit. Dies aber auf eine subtile Weise, wirkt er doch eher zurückhaltend als forsch, ganz und gar an seinem Gegenüber interessiert, als von sich selbst eingenommen. Dass er vor lauter Zugewandtheit den Kaffee, den er eigentlich für den Gast zubereitet hat, gleich selbst trinkt und sich später, als er dessen gewahr wird, umfangreich entschuldigt, gleicht dem Tüpfchen auf dem «i» in der Sympathieskala – ein Mann, dem das Gespräch wichtiger scheint als Formalitäten. Dazu passt vielleicht und irgendwie, dass der 58-Jährige auf eine Karriere zurückblickt, die sich nicht einer konventionellen Form zuordnen lässt.
Rolf Stalder brach seine Schulzeit ein Jahr vor der Matura ab, ging Gelegenheitsjobs nach und gründete im Alter von 22 Jahren unmittelbar nach seiner vierjährigen Ausbildung zum Hochbauzeichner sein eigenes Architekturbüro im Keller des Elternhauses. Seither hat er viel gearbeitet, viel erschaffen und viel erreicht: Er zeichnete und entwarf in seinen Anfängen für einen Generalunternehmer im Baselbiet Häuser, brachte sich Sinn, Handwerk und Geschäft der Architektur autodidaktisch bei. «Mit 25 wandte ich mich an Banken, um trotz geringer finanzieller Mittel Kredite für Landkäufe zu erhalten. Damit ich bei Bankgesprächen älter und erfahrener wirkte, kaufte ich eine Fensterglas-Brille und eine elegante Krawatte», erinnert er sich. So begann er, als Investor, Architekt und Generalunternehmer seine ersten eigenen Immobilienprojekte zu verwirklichen – eines davon ist der im Jahr 2015 erbaute Stollturm in Münchenstein, der nicht nur Wohnhaus und Blickfang, sondern bei Google als Sehenswürdigkeit gelistet ist. Bemerkenswert sind auch seine zahlreichen Hotelbauten in Basel und Umgebung, wie zum Beispiel das «Waldhaus» im Hardwald, das Hotel Bloom oder die Hotels im Grosspeter.
Von sich reden machte Stalder, als er 2020 die bestehende Idee eines Sees in Münchenstein aufgriff und ein Konzept ausarbeitete, der Landeigentümer jedoch davon nichts wissen wollte; das Vorhaben ruht deswegen.
Freigeistige Architektur
Vor zwei Jahren gab Rolf Stalder sein Architekturunternehmen in neue Hände, doch war er damit nicht aus dem Spiel – im Gegenteil: 2011 kaufte er die über 100 Jahre alte Liegenschaft Gartenstadt, die er 2014 neu eröffnete und in der er ein eigenes Restaurant mit Pavillon lancierte. Wie Ende März bekannt gegeben wurde, übergibt Rolf Stalder nun auch dieses Geschäft in neue Hände.
Ob ihm alles zu viel geworden ist? «Ich stehe jetzt als selbstständiger Unternehmer an einem Punkt, den andere vielleicht mit 70 erreichen. So habe ich mir überlegt, ob es nicht an der Zeit wäre, Platz für etwas Neues zu schaffen», sagt er und beginnt sogleich, über seine neuen Projekte zu berichten: Zusammen mit der Kunsthistorikerin Julia Schaffer gründete er die Architekt Rolf Stalder AG, «eine Boutique für visionäre Arbeit in der Architektur».
Auf Nachfrage, welche Visionen ihm als Architekt denn vorschwebten, erzählt er: «Es geht darum, neue kompaktere Wohnformen zu entwickeln. Warum braucht es im Haus ein Gästezimmer, das kaum genutzt wird? Hier bieten sich Nutzungsformen analog dem Carsharing an.» Mit der neuen Firma wolle er «freigeistiger unterwegs sein, Projekte verfolgen, die nicht unbedingt wirtschaftlich aufgehen müssen», wie er sagt. Und dann fügt er hinzu: «Viele Familien können sich wegen der hohen Grundstückpreise kein eigenes Haus mehr leisten. Auch hier studieren wir, welche Lösungen es für die Zukunft gibt.»
Neu und darüber hinaus hat Rolf Stalder die humanitäre Arbeit für sich entdeckt, weshalb er im vergangenen Monat einen Verein mit dem Namen RS4 gegründet hat. Damit will er sich für «Menschen, Tiere, Natur und Klima» einsetzen, wie auf der Website zu lesen ist.
Flug zur Liebe
Rolf Stalder ist begeisterungsfähig, lässt sich fast reflexartig auf Unternehmungen ein – ein bisschen sei er Sklave seiner selbst, gibt er zu. Ob er nie die Idee gehabt habe, etwas weniger zu arbeiten? «Ich habe meine Firmen nicht aufgegeben, um kürzerzutreten.» In der Zeit als Chef eines grossen Architekturunternehmens habe sich aber etwas Repetitives eingeschlichen. «Ich suche nun mehr die persönliche Freiheit, weniger die Quantität in der Arbeit.»
Was er zum Ausgleich unternehme? «Etwas Neues zu entwickeln, gibt mit Kraft. Einen Ausgleich in dem Sinne, mich von etwas Anstrengendem erholen zu müssen, brauche ich deshalb nicht», sagt er lächelnd, denkt kurz nach und kommt dann doch auf ein Hobby, die Kunstfliegerei, zu sprechen. «Im Jahr 2000 war ich als Leiter eines grossen Unternehmens sehr eingespannt. Da suchte ich tatsächlich einen Ausgleich und fand ihn in der Fliegerei.» Seit 2008 frönt Rolf Stalder mit einer eigenen Kunstflugmaschine seinem Hobby. Und: Bei dieser Gelegenheit lernte er seine spätere Ehefrau kennen, die ebenso begeisterte Privatpilotin ist.