Münchenstein zeigt Herz für pflegende Angehörige
Trotz erfreulicher finanzieller Lage mahnt der Gemeinderat, unbekümmert Geld auszugeben. Ein Antrag zur finanziellen Unterstützung pflegender Angehöriger hatte trotzdem Erfolg.
In der zweiten Halbzeit der über drei Stunden dauernden Gemeindeversammlung vom vergangenen Montag kam es dann doch noch zu einer kleinen Überraschung: Die SP setzte ihren Antrag, der Gemeinderat möge ein Reglement zur finanziellen Entschädigung pflegender Angehöriger ausarbeiten, gegen dessen Willen durch. «Bis zum Jahr 2030 fehlen in der Schweiz mindestens 20000 Pflegekräfte. Aus diesem Grund rückt die Thematik von Personen, die ihre Angehörigen betreuen, in den Vordergrund», so Miriam Locher, die den Antrag im Namen der Sozialdemokraten gestellt hatte. Es sei wichtig, dass die Leistung dieser Menschen Wertschätzung erfahre, da sie einen grossen Dienst an der Gesellschaft vollbringen würden. Der Antrag wird durch ein Musterreglement des Kantons gestützt, welches zehn von 86 Gemeinden im Baselbiet umgesetzt haben. Dieses sieht vor, dass pflegende Angehörige durch die Gemeinde mit einem Beitrag von mindestens 30 Franken pro Tag abgegolten werden. Starken Beistand erhielt das Begehren durch eindringliche, von Applaus begleitete Voten Betroffener, die zur Versammlung gekommen waren. «Es wäre zynisch, das Thema jetzt einfach wieder vom Tisch zu wischen», hiess es etwa. Der Gemeinderat stellte sich hingegen auf den Standpunkt, dass auf Münchenstein Kosten in der Höhe von 300000 bis 400000 Franken pro Jahr zukämen und die Verteilung der Gelder nicht zielgerichtet sei, weil sie die individuelle Situation nicht berücksichtige. Die Versammlung sprach sich jedoch deutlich für den Antrag aus. Demnach ist der Gemeinderat beauftragt, innerhalb der nächsten sechs Monate einen Vorschlag auszuarbeiten.
Den Gürtel nicht lockern
Der Support für die finanzielle Unterstützung pflegender Angehöriger kam insofern überraschend, als dass die erste Halbzeit der Versammlung dem Budget für das kommende Jahr und dem Aufgaben- und Finanzplan 2024 bis 2028 gewidmet war und diese Debatten unter einem ganz anderen Stern standen. Zwar budgetiert die Gemeinde für das kommende Jahr bei einem Aufwand von 67,8 Millionen und einem Ertrag von 69,1 Millionen einen Überschuss von 1,3 Millionen Franken und es sei der Gemeinde gelungen, «das strukturelle Defizit auszumerzen», so der für Finanzen zuständige Gemeinderat Andreas Knörzer (Grünliberale). Er sagte aber auch: «Um die positive Entwicklung beizubehalten, ist eine strikte Ausgabendisziplin vonnöten. Nur so können spätere Mehrkosten, etwa im Bereich der Pflege, gestemmt werden.» Auch die FDP warnte davor, sich angesichts der positiven Zahlen auf den Lorbeeren auszuruhen: «Die grössten Fehler macht man, wenn es gut geht. Deshalb ist die Situation eigentlich gefährlicher als damals, als allen klar war, dass es nur mit Sparen geht», so Sven Mathis. Im Rahmen der Budgetdebatte hatte ein Antrag Erfolg, der eine Reduktion des Investitionskredits für die Sanierung des Dorfplatzes vorsieht: «Wir wollen nur eine sanfte Sanierung, kein Umbauprojekt, das am Schluss nichts bringt», so eine Anwohnerin. Demnach wurde die Investition von 250000 Franken auf 150000 reduziert. Das bereinigte Budget wurde von der Versammlung ohne Gegenstimme verabschiedet.
Schlagabtausch der Pole
Für eine emotionale Debatte sorgte weiter ein Antrag von Stephan Haydn (SVP), der dem «politischen Wildplakatieren» den Kampf ansagte. «Die Herstellung der Plakate braucht viel Energie. Und wofür? Dafür, dass wir uns die ganze Zeit diese Gesichter ansehen müssen?», polterte er und zettelte damit ein grimmiges Gekeife zwischen den beiden Polparteien an. «Wenn die SVP mit Umweltschutz kommt, scheint mir etwas faul», so ein Votum der Sozialdemokraten. «Die Linke will den Antrag nicht unterstützen, weil er von der SVP kommt», gab Haydn zurück. Aus der Versammlung wurde auch Verständnis für den Antrag geäussert: «Politisches Plakatieren ist eine Form von Werbung. Ich empfinde es als Nötigung. Mein Verhalten als Wähler beeinflusst es hingegen nicht», so ein Votum. Nach verärgerten Rufen aus dem Volk, man möge endlich zur Abstimmung kommen, wurde der Vorschlag von Haydn für nicht erheblich erklärt. Einige politische Vertreter von linker Seite kündeten an, weiter am Thema dranzubleiben, da auch in ihren Reihen Uneinigkeit herrsche.