Geschäftsleiter, Lernender und Familienmann
Michael Schubiger macht eine Lehre in jenem Betrieb, den er als Geschäftsleiter führt. Der CEO eines Münchensteiner Orthopädieschuhgeschäfts ist ein wahrer Tausendsassa.
Dass ein Lehrling nach einigen Jahren im Beruf zum Geschäftsführer eines Unternehmens wird, ist bemerkenswert – aber keine Seltenheit. Die umgekehrte Laufbahn – also vom CEO zum Lehrling – ist hingegen ein ganz besonderer Weg. Michael Schubiger hat diesen vor zwei Jahren begonnen. Der Geschäftsführer der Hepfer AG hat sich mit 46 Jahren entschieden, eine Lehre als Orthopädieschuhmacher zu absolvieren. Doch von vorne.
Michael Schubiger führt zusammen mit seiner Frau Iris Hepfer einen Fachbetrieb für Orthopädieschuhtechnik in Münchenstein. Vor 10 Jahren wagten die beiden den Schritt in die Selbstständigkeit. Bald wuchs der Betrieb. Iris Hepfer ist Orthopädieschuhmachermeisterin und stellt mit insgesamt fünf Mitarbeitenden Schuhe für Menschen mit körperlichen Einschränkungen her. Ihr Mann ist Geschäftsführer und Innovator im Hintergrund. Die Auftragslage ist gut, das Geschäft brummt.
Michael Schubiger ist ein Mann der Tat. Nach der Firmengründung las er sich in diverse Geschäftsbereiche ein, absolvierte einen Kurs in Buchhaltung und übernahm sämtliche Rollen im Büro, damit seine Frau in der Werkstatt arbeiten konnte. Doch der Fachkräftemangel ist auch in dieser Branche zu spüren. Als das Unternehmen eine Mitarbeiterin an die Konkurrenz verlor, fasste Schubiger vor zwei Jahren einen Entschluss: Am besten kann er seine Frau unterstützen, indem er das Handwerk selbst erlernt. Der Geschäftsführer begann also eine Lehre als Orthopädieschuhmacher. Und das im eigenen Betrieb.
Kurzerhand stellte das Unternehmen einen Lehrmeister ein. «Wir brauchten jemanden von extern. Meine Frau und ich arbeiten zusammen, leben zusammen, betreuen das Kind zusammen. Aber bei der eigenen Frau in die Lehre zu gehen, wäre doch eine Schippe zu viel gewesen», sagt er schmunzelnd.
«Man muss extrem flexibel sein – das gefällt mir»
Schubigers Engagement kommt bei den Mitarbeitenden gut an. «Michael hat ein Talent in allem», sagt etwa seine Assistentin Tina Frey. Dass er neben Büroplanung und Geschäftsführung nun auch noch eine Lehre macht, fordere ihn, gibt Schubiger zu. «Manchmal muss ich mir bewusst Zeit in der Werkstatt nehmen. Es ist nicht immer einfach, dem Büro den Rücken zu kehren.» Es sei jedoch genau diese Abwechslung, die ihm grossen Spass mache: «Man muss extrem flexibel sein – das gefällt mir.»
Schubiger ist Geschäftsleiter und Lernender – aber auch Familienmensch. Als seine Tochter zur Welt kam, blieb der Vater während zwei Jahren zu Hause. «Meine Frau verdiente damals besser als ich. Es war für mich klar, dass ich mich um die Kinderbetreuung und den Haushalt kümmere, damit sie den Rücken frei hat», erzählt er. Im Gespräch mit dem umtriebigen Geschäftsführer wird bald klar: Seine Frau und das Unternehmen bedeuten ihm die Welt. «Für mich ist es das schlimmste Gefühl, wenn ich meine Frau nicht unterstützen kann.»
Gewinner des Lehrlingswettbewerbs
Kürzlich stellte Schubiger seinen Ehrgeiz auch vor einer Jury unter Beweis: Der 48‑Jährige nahm am nationalen Lehrlingswettbewerb der Orthopädieschuhmacher teil – obwohl er dort mit Abstand der Älteste war. Die Aufgabe: einen mindestens 150 Jahre alten Schuh neu zu interpretieren. Schubiger entschied sich für ein Exemplar aus der Zeit des französischen Sonnenkönigs Louis XIV. «Die wichtigen Stilelemente dieses Schuhs sind Absatz, Schnalle und diverse Ornamente», erklärt er. Den jahrhundertealten Schuh interpretierte der Orthopädieschuhmacher als hippen Sneaker neu. Dafür bediente sich Schubiger auch modernster Hilfsmittel: Künstliche Intelligenz half ihm beim Designen des Schuhs; mit dem 3D-Drucker stellte er die charakteristischen Schnallen her. Natürlich passte der Schuhmacher den Schuh auch gemäss den Diagnosen des fiktiven Patienten an. Sein Werk überzeugte die Jury: Schubiger holte den ersten Rang im Lehrlingswettbewerb. Für den 48‑Jährigen eine tolle Bestätigung, wie er sagt. Dabei ist es nicht nur dieser Sieg, der ihn berührt. Es ist die Arbeit, die im eigenen Unternehmen steckt: «Dass ich einmal einen solchen Weg gehen würde, habe ich mir früher nie zugetraut. Umso stolzer bin ich auf das, was wir hier erreicht haben.»