Ein halbes Jahrhundert initiativ
Morgen Freitag feiert das Gymnasium Münchenstein mit einem Festakt seinen 50. Geburtstag. Sein politischer Geist verhalf dem zweitältesten Baselbieter Gymnasium zu landesweitem Ansehen.
Lukas Hausendorf
Die Bildung ist der einzige Rohstoff der Schweiz. Und das Gymnasium Münchenstein ist ein eindrücklicher Beweis, dass diese Aussage mehr als nur ein Gemeinplatz im bildungspolitischen Diskurs ist. Als 1964 die ersten Gymnasiasten die Baracken an der Schulackerstrasse bezogen, hatte im Kanton gerade eine neue Epoche begonnen. Nur ein Jahr zuvor war in Liestal das erste Baselbieter Gymnasium eröffnet worden. Bis zu jenem Zeitpunkt mussten die Schüler des Landkantons die Gymnasien der Stadt besuchen, die auf eine jahrhundertealte humanistische Tradition zurückblicken konnten. Würde es auch dem ländlichen Halbkanton gelingen, mit seinen eigenen Gymnasien an diese Tradition anzuknüpfen?
Heute ist die Antwort klar. Das Gymnasium Münchenstein ist der Stein gewordene Beweis einer bildungspolitischen Erfolgsgeschichte, die morgen mit einem Festakt gefeiert wird, an dem Volkswirtschaftsprofessor Aymo Brunetti, Alumni des Gyms, die Ansprache halten wird. Der Mann, der als einer der profiliertesten Ökonomen des Landes gilt, ist nur einer aus einer Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten, die in Münchenstein ihre Reife erlangten. So machte auch Beatrice Weder die Mauro, die heute als Wirtschaftsweise der deutschen Bundesregierung amtet, in Münchenstein ihre Matur.
Politisch initiativ und innovativ
Der stolze Bau, dessen Spatenstich am 11. November 1969 durch Regierungsrat Paul Manz vorgenommen wurde, war von Beginn weg beseelt von einem politischen Geist, der die Schule später in die Geschichtsbücher eingehen liess. Die von Schülern und Lehrern lancierte Münchensteiner Initiative in den 70er-Jahren, welche die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes forderte, wurde 1977 zwar vom Schweizer Stimmvolk abgelehnt, trugen dem Gymnasium aber landesweites Renommee und den Ruf, eine linke Schule zu sein, ein. Ein Ruf mit dem Konrektor und Historiker Reinhard Straumann Mühe hat, weil es auf einem Missverständnis fusse. «Nämlich dasjenige der Verwechslung von ‹links› mit ‹initiativ›. Beiden Attributen ist gemeinsam, dass sie Haltungen bezeichnen, die gegebene Zustände nicht einfach hinnehmen, sondern als veränderlich betrachten», schreibt er in der Festschrift. «Das ist der Geist, der durch das Gymnasium Münchenstein weht.»
Ein Geist, der auch 1996 zum Tragen kam, als das Lehrerkollegium die kantonale «Volksabstimmung für eine Maturität ohne Qualitätsabbau» lancierte, die zum Rückzug der Landratsvorlage führte, die zu einer Verkürzung der Gymnasialzeit geführt hätte. Dass gleich zwei Volksbegehren von einer Schule initiiert wurden, ist weltweit wohl einzigartig. Den Initiativen Geist hat sich die Schule bis heute bewahrt. Im Immersionsbereich hat die Schule eine Pionierrolle eingenommen und 1998 die erste bilinguale Maturitätsprüfung der Schweiz abgenommen. Auch ihren politischen Aktivismus hat sich die Schule bewahrt. Zuletzt als die Schülerschaft mit der Petition «Schule ohne Schutzhelm» vergangenes Jahr den Kanton dazu bringen konnte, die Sanierung des mittlerweile etwas maroden, in die Jahre gekommenen Baus endlich an die Hand zu nehmen.
Zurück zu den Wurzeln
Die Sanierung des einst als architektonisch gelungenen Wurf gefeierten und ausgezeichneten Gebäudes führt die Gymnasiasten schon bald wieder an den Anfang der Geschichte ihres Gymnasiums. Anstatt wie ursprünglich vorgesehen, wird der Unterricht während der Sanierung nicht in provisorischen Schulcontainern stattfinden, sondern wieder in den Baracken an der Schulackerstrasse, die nun wieder auf Vordermann gebracht werden.