Zwischen Feingeistigkeit und Industrie
Das Theaterstück «Zünder» feiert heute Donnerstag seine Premiere. Das Wochenblatt hat die Proben besucht.
Nebengeräusche stören, ein Wort ist schlecht artikuliert, ein Rücken etwas zu brüsk dem Publikum zugewandt – das Ganze noch einmal von vorn! Auf jedes Detail kommt es bei den Proben für das Theaterstück «Zünder» an, das heute Donnerstag seine Premiere feiert. Noch am vergangenen Freitagvormittag arbeitet das Ensemble unter der Leitung von Regisseur Georg Darvas im Schreinereisaal des Goetheanums auf Hochtouren an den Szenen und die Zwischenbesprechung macht deutlich: Man ist – sechs Tage vor der Premiere – noch längst nicht am Ziel. Jeder Schauspieler, jede Schauspielerin erhält vom Regisseur ein zwar wohlwollendes, aber sehr umfangreiches Feedback. Zum Schluss noch ein paar motivierende Worte an alle, bevor es am Nachmittag mit den Proben im Wydeneck/Metalli, dem zweiten Spielort von «Zünder», weitergeht: Dort ist zum ersten Mal der Kinderchor der Musikschule Dornach mit dabei, wobei es eine Kunst ist, alles aufeinander abzustimmen. Einzelne Szenen müssen neu gestaltet werden und aufgrund der grossen Abstände in den Metallwerken wird mit Mikrofonen geprobt. Bis auf den Sonntag, wenn sich das Ensemble einen Tag Pause und Regeneration gönnt, finden jeden Tag Proben statt – Montag und Dienstag je eine Hauptprobe, am Mittwoch die Generalprobe, bei der sich geladene Gäste bereits einen Eindruck machen können.
Logistische Herausforderung
Die Schauspielenden und der Regisseur sind in den Tagen vor der Premiere fast unabkömmlich. Etwas anders sieht es bei Patrick Tschan aus. Er hat als Schriftsteller das Stück geschrieben: «Meine Arbeit ist also eigentlich vorbei», scherzt er bei einem Cappuccino im Goetheanum. Das ist natürlich weit gefehlt: Die Umsetzung von «Zünder», dessen zwei Spielorte mit einem Shuttle-Bus verbunden sind und bei welchem neben dem achtköpfigen Schauspielensemble 20 Statistinnen und Statisten, der Musikverein Concordia Dornach und der Kinder- und Jugendchor der Musikschule Dornach mitwirken, sei logistisch eine Herausforderung, so Tschan.
Zum Ablauf sagt er: «Das Stück beginnt mit einem Textbeitrag im Shuttle-Bus auf der Fahrt vom Bahnhof Dornach zum Goetheanum, wo der erste Akt stattfindet. Danach bringt der Bus das Publikum zum zweiten Teil in die Metallwerke.» Für jene, die mit dem Auto kommen, hat Patrick Tschan einen wichtigen Hinweis: «Unbedingt bei den Metallwerken parken. Dort endet das Stück.» Der Bus, der das Publikum vom Bahnhof zum Goetheanum bringt, holt die Autofahrer bei den Metallwerken ab.
Zwei Wege, eine Liebe
«Zünder» zeigt eine in Dornach spielende Liebesgeschichte zur Zeit des Ersten Weltkriegs, wobei die beiden Protagonisten, die scheinbar unterschiedlicher nicht sein könnten, den Krieg tatsächlich aus einer anderen Warte betrachten: Auf der einen Seite der Elsässer Serge, ein Arbeiter, der in die Schweiz geflüchtet ist, um nicht gegen Frankreich kämpfen zu müssen – das Elsass gehört in dieser Zeit zum Deutschen Kaiserreich. Er malocht bei den Metallwerken Dornach, wo Waffenbestandteile, etwa Zünder, für die Kriegsparteien produziert werden.
Auf der anderen Seite steht die preussische Adelige Kleopha. Sie wird vom Malochen nicht viel Ahnung haben, ist dafür auf Sinnsuche für sich und die Menschheit, möchte diese zum Besseren verändern. Ihre edlen Ziele führen sie nach Dornach, wo sie am Goetheanum Anschluss sucht, stattdessen aber auf Serge trifft.
In der Geschichte finden zwei unterschiedliche Lebenswege, die in ihrer Verlorenheit und ihrer Kritik an der bestehenden Ordnung doch einiges gemeinsam haben, zueinander. Der Kontrast zwischen der Feingeistigkeit im Goetheanum und der groben Industrie in den Metallwerken illustriert die Geschichte.
Der Einblick in die Proben macht deutlich: Das Stück hat aktuelle Brisanz, geht es doch damals wie heute um die Logik von Gewalt und Gegengewalt in Kriegszeiten, die Unterjochung, die Ohnmacht der einzelnen Menschen, aber auch um die befreiende Kraft der Liebe.
«Zünder», 15., 16., 17., 18., 23., 24., 25., 30., 31. August und 1. September. Weitere Infos und Tickets: www.zuender-dornach.ch
Podiumsdiskussion
Um die Thematik zu vertiefen, findet am kommenden Samstag um 17 Uhr im Neuen Theater Dornach eine Podiumsdiskussion statt. Es diskutieren: Roman Rossfeld (Experte Erster Weltkrieg), David Marc Hoffmann (Leiter des Rudolf Steiner Archivs), Andreas Schwab (Experte Reformbewegungen). Leitung: Fabia Maieroni (Chefredaktorin Wochenblatt).