Wenn die Vergangenheit Dunkles zeitigt

Mit seinem Buch «Und was hat das mit mir zu tun?» hat Sacha Batthyany Verwicklungen seiner Familie in Naziverbrechen beleuchtet. Am Freitag war er in der Dornacher Wydekantine zu Gast.

Recherchearbeit und Selbstreflexion: Die Arbeit an seinem Buch bedeutete für Sacha Batthyany eine Konfrontation mit der eigenen Familiengeschichte. Foto: zVg

«Wir kritisieren gerne, wie frühere Generationen sich verhielten. Dabei wissen wir nicht, wie wir selbst uns damals verhalten hätten.» Diese Worte dokumentieren in aller Kürze eine Einsicht, die der Journalist und Schriftsteller Sacha Bat­thyany auf einer Reise durch die eigene Familiengeschichte erlangt hat. Der NZZ-Redaktor, der einige Jahre als Korrespondent für die «Süddeutsche Zeitung» aus Washington DC berichtete und an der Schweizer Journalistenschule MAZ Kurse für kreatives Schreiben gibt, ist Nachfahre einer der bedeutendsten Adels­familien der Habsburgermonarchie – Batthyany, ein Name, der an Bischöfe, Fürsten oder Sissi-Filme denken lässt. Was lange Zeit weniger bekannt war: Batthyanys Grosstante, Gräfin Margit Thyssen-Batthyany, war in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs Gastgeberin eines Festes hoher SS-Funktionäre im österreichischen Schloss Rechnitz. Einige der Nazischergen machten sich während des Festes auf, um in der kleinen Gemeinde an der Grenze zu Ungarn 180 Juden zu ermorden. Und: Nach verrichteter Tat sollen sie ans Fest zurückgekehrt sein. Der Massenmord wurde lange totgeschwiegen, erst in den 1990er-Jahren rückte ein Dokumentarfilm die Tat ins öffentliche Bewusstsein.

Die Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte begann für Sacha Batthyany, der am Freitag in der Dornacher Wydekantine zu Gast war, im Jahr 2007, als ihn eine Kollegin mit dem Massenmord von Rechnitz konfrontierte. Da begann er zu recherchieren, brach nach und nach das bleierne Schweigen seiner Familie, entdeckte beim Studium der Tagebücher seiner Grossmutter, dass auch sie Zeugin von Verbrechen gegen Juden gewesen war.

Erkauftes Schweigen

Unter dem Titel «Und was hat das mit mir zu tun?» hat der Journalist 2016 ein Buch – eine Mischung aus Recherchearbeit und Selbstreflexion – herausgegeben. Es wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert. Ob seine Grosstante direkt am Verbrechen in Rechnitz beteiligt war oder gewähren liess, konnte nie ermittelt werden. Mit ihrer Macht und ihrem Reichtum habe sie aber erwirkt, dass über das Verbrechen jahrzehntelang geschwiegen wurde: «Das Geld hat euch stumm gemacht», soll Sacha Batthyany seinem Vater in einem Gespräch vorgeworfen haben. Weil «Tante Margit» alles bezahlte, konnte sie entscheiden, wo­rüber man sprach und worüber nicht. Ein gewisses Wegducken, Taubstellen und eine Melancholie – ein Wesenszug, den Sacha Batthyany an sich selbst sieht.

Prominente Gäste

Patrick Tschan, Präsident des Vereins Wydekantine, sagt auf die Frage, wie er es anstelle, immer wieder prominente Gäste nach Dornach zu bringen: «Wir können auf die langjährigen Kontakte von Gerwig Epkes zurückgreifen. Dank ihm gelingt es immer wieder, hochkarätige Protagonisten der Literaturszene zu präsentieren.» Epkes selbst, SWR-Kulturredaktor, Autor und feste Grösse in der deutschsprachigen Literaturszene, diskutierte am Freitag mit Sacha Batthyany.

Sacha Batthyany: Und was hat das mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie. 2016. Kiepenheuer & Witsch. 256 Seiten.

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