Vertrauenskrise in Dornach

Die Frage, ob es in der Chefetage Fehler gab, bleibt vorerst unbeantwortet. Es herrscht Misstrauen im Gemeinderat, die Ratsmehrheit lehnt es aber ab, die Vorwürfe von einer Kommission untersuchen zu lassen.

Keine Untersuchungskommission gegen Christian Schlatter: Der Gemeinderat will sich stattdessen einem Coaching unterziehen.  Foto: BZ Archiv / Juri Junkov
Keine Untersuchungskommission gegen Christian Schlatter: Der Gemeinderat will sich stattdessen einem Coaching unterziehen. Foto: BZ Archiv / Juri Junkov

Der Antrag von Statthalter Daniel Müller (FDP) auf Einsetzung einer Untersuchungskommission gegen Gemeindepräsident Christian Schlatter (Freie Wähler) war für die Gemeinderatssitzung vom Montag als öffentliches Geschäft traktandiert. Man traf sich in der Aula des Schulhauses Brühl – das Geschäft lockte einige interessierte Zuhörer an. Sie und die Presse mussten später aber den Saal verlassen. Das brisante Geschäft sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert werden. Daniel Urech (Freie Wähler) hatte dies beantragt, weil es sich um ein Personalgeschäft handle; die Mehrheit unterstützte dies. Barbara Vögtli (SP) erinnerte allerdings daran, dass das seit März hängige Geschäft extra auf die Zeit nach Corona vertagt wurde, weil man die Diskussion der Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollte. Als Müller dann vorschlug, das Geschäft auf die nächste Sitzung zu verschieben, lautete der Kommentar von Thomas Gschwind: «Mittlerweile wird es peinlich.» Die Ratsmehrheit wollte nichts wissen von Aufschieben.


Zwist und Mobbingvorwürfe
Am nächsten Tag erfuhr man, dass der Gemeinderat mit fünf zu vier Stimmen Müllers Antrag abgelehnt hatte. Der Gemeindepräsident trat in den Ausstand, und offenbar akzeptierte der Gemeinderat, dass sich Schlatter für dieses Geschäft von Parteikollegin Monica Palatini vertreten liess. Ganz einig ist man sich bei den Freien Wählern aber nicht. Gemeinderat Rudolf Hafner machte im Vorfeld kein Geheimnis daraus, dass er die Aufklärung der Vorwürfe durch eine Untersuchungskommission begrüsst hätte, insbesondere zu Mobbingaktivitäten und um zu untersuchen, unter welchen Umständen innert fünf Jahren sämtliche Kadermitglieder ausgetauscht worden seien. «Das Funktionieren des Gemeinderates bleibt schwierig, weil es eine Vertrauenskrise gibt», resümierte Hafner. Nachdem die Diskussion vom Montag zur Geheimsache erklärt worden sei, dürfen sich die Gemeinderäte nicht über den Inhalt der Diskussion äussern.

Statthalter Daniel Müller fasst zusammen: «Es hatte Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, die sich auf die aktive Suche des Gemeindepräsidenten nach Dienstleistungsmandanten auf der Internetplattform LinkedIn bezogen. Solche Nebenbeschäftigungen sind nicht erlaubt.» Der Gemeinderat habe die Pflicht, problematischen Sachverhalten nachzugehen. «Unter diesem Aspekt und aufgrund anderer Vorfälle habe ich ergänzend zum Antrag vom 9.  März eine Auflistung aller zu betrachtenden Sachverhalte zusammengestellt. Der Amtsführungs- und Personalfürsorgepflicht wäre ein besonderes Augenmerk zugekommen.» Ein grosses Fragezeichen, führt Müller aus, «werfen die Vertrauenswürdigkeit und die Glaubwürdigkeit des Gemeindepräsidenten auf. Dies abzuklären, wäre Aufgabe der Untersuchungskommission gewesen.» Auf die Frage, warum die Ratsmehrheit die Untersuchung ablehnte, verwies Müller an Ratskollege Urech. «Mit der Begründung, ich sei Antragsteller, hat Daniel Urech mich vor die Tatsache gestellt, dass er die Sitzung leite.»

Gemeindepräsident Christian Schlatter nimmt gegenüber dem Wochenblatt zu den Vorwürfen von Müller keine Stellung. Auf die Frage, warum sich ein Mitglied des Gemeinderates von ihm gemobbt fühle, sagt Schlatter: «Es irritiert mich, dass Mitglieder des Gemeinderates gegen mich Mobbingvorwürfe erheben. Wenn es ‹ungute› Gefühle gäbe, wäre das Naheliegendste, das direkte Gespräch zu suchen.» Weiter hält er fest: «Der Gemeinderat hat beschlossen, dass sich das Gremium einem Coaching unterziehen möchte. Das begrüsse ich sehr.»

 

«Eine Untersuchung hätte zu Unsicherheit und Unruhe geführt»
Gemeinderat Daniel Urech leitete die Diskussion am Montag und erklärt, warum die Ratsmehrheit keine Untersuchungskommission will.

Wochenblatt: Was hat dazu geführt, dass der Antrag abgelehnt wurde?
Daniel Urech: Die Mehrheit des Gemeinderats erachtete es nicht als sinnvoll, ein Disziplinarverfahren zu eröffnen. Die Untersuchungskommission hätte umfangreiche Kompetenzen erhalten und verschiedenste Themen untersuchen sollen. Massgeblich waren rechtliche Überlegungen und die Sorge, dass die Anhebung einer Disziplinaruntersuchung gegen den Gemeindepräsidenten zu grosser Unsicherheit und Unruhe in der Verwaltung und der Bevölkerung geführt hätte.


Bleiben die von Daniel Müller in den Raum gestellten Vorwürfe und Fragen unbeantwortet?
Daniel Urech: Der Hauptvorwurf des Antrags betraf den Linked-In-Status von Christian Schlatter. Diesbezüglich hat der Gemeinderat beschlossen, den Gemeindepräsidenten dazu aufzufordern, diesen Status wieder zu ändern. Die dem Gemeinderat vorgelegte Frage war nicht, was er von den weiteren von Daniel Müller kurzfristig in den Raum gestellten Vorwürfen hält. Es ging auch nicht um die Frage, ob er Christian Schlatter das Vertrauen ausspricht, sondern lediglich darum, ob eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet werden soll. Diese Frage hat er verneint.


Die Fronten in dieser Kollegialbehörde sind verhärtet, das ist spürbar, und man beobachtet, dass die Auseinandersetzungen nicht spurlos vorbeigehen am Gemeinwohl. Wie geht es weiter?
Daniel Urech: Der Gemeinderat nimmt die Verstimmungen zwischen ihm als Behörde, einzelnen Mitgliedern und dem Gemeindepräsidenten durchaus wahr. Er hat daher beschlossen, dass er auf eine externe Begleitung in der Form eines Coachings oder einer Supervision zurückgreifen will, um ein konstruktives Zusammenarbeiten im Kollegium zu erreichen.


Was bedeutet das Ihrer Einschätzung nach für die kommenden Wahlen?
Daniel Urech: Ob der getroffene Entscheid für die kommenden Wahlen etwas bedeutet, werden letztlich die Stimmberechtigten beurteilen müssen. Ich meine, dass es kein guter Weg gewesen wäre, eine rechtlich fragwürdige Disziplinaruntersuchung zu einem so breiten Themenfeld von Verdächtigungen und Fragen anzuheben. Ich hoffe, dass der Gemeinderat trotz der offensichtlichen Vertrauenskrise im verbleibenden Jahr der Legislatur noch oder wieder einigermassen konstruktiv funktioniert. Dafür braucht es eine Anstrengung aller Beteiligten.

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