Nach einem schweren Unfall schwimmt Renato Munz seinen Schmerzen davon

Renato Munz war erfolgreicher Fahrlehrer, bis ein Unfall sein Leben völlig auf den Kopf stellte. Mit dem Schwimmen hat der Dornacher neue Lebenskraft gefunden.

Routine: Renato Munz aus Dornach geht mehrmals pro Woche schwimmen. In den Sommermonaten (wie hier im Bild) im Gartenbad Aesch, ansonsten im Hallenbad in Muttenz. Foto: Tobias Gfeller

Renato Munz steht am 4. August auf dem Podium des 36. Sri Chinmoy Marathonschwimmens im Zürichsee. In der Kategorie 50+ mit Neoprenanzug wird der 63‑Jährige auf der 26 Kilometer langen Strecke von Rapperswil nach Zürich Zweiter. Es war ein Sieg gegen sich selbst und die permanenten Schmerzen. Munz hat nach einem Autounfall im Jahr 1998 einen langen Leidensweg hinter sich. Mit dem Schwimmen hat er eine neue Bestimmung und Herausforderung gefunden.

Gut drei Wochen nach seinem Triumph steht der mittlerweile in Dornach wohnhafte ehemalige Fahrlehrer mit zwei Taschen um die Schultern vor dem Eingang des Gartenbads in Aesch. Das Trainingsprogramm ist die Therapie, wie er sie diszipliniert seit der Operation mehrmals pro Woche absolviert. Zunächst macht Munz ein eineinhalbstündiges Kraftgymnastik-Programm, welches er sich in der Reha und bei unzähligen Physiotherapien angeeignet hat. Danach taucht er im Wasser ab und zieht für rund zwei Stunden einsam seine Bahnen. Zwischen fünf und acht Kilometer sind es jeweils – in den Sommermonaten im Gartenbad Aesch, ansonsten im Hallenbad in ­Muttenz.

Der gebürtige Muttenzer führte während 15 Jahren eine Fahrschule mit mehreren Angestellten und brachte unter anderem zahlreichen FCB-Spielern und auch Roger Federer das Autofahren bei. Die Fahrprüfung des damals noch jungen Tennisstars wurde sogar medial begleitet, was ihm und seinem Unternehmen weit über die Region hinaus zu Bekanntheit verhalf.

Alles lief wunderbar, bis eines Tages ein Fahrer eines Lastwagens einen Moment lang unaufmerksam war und an einem Rotlicht ungebremst in das Heck des Fahrschulwagens von Munz prallte.

Existenzängste und permanente Schmerzen

Die Fahrschülerin musste mit starken Beckenprellungen und einem Schock ins Spital gebracht werden. Munz konnte sich Stunden nach dem Unfall kaum mehr bewegen. Zum zunächst diagnostizierten schweren Schleudertrauma kamen schleichend Schmerzen im Lendenwirbelbereich und Gefühllosigkeit im rechten Bein hinzu.

Sorgen und Ängste um die Firma und um die Existenz der Familie setzten dem Fahrlehrer zu. Irgendwann musste sich Munz der mehrmals geäusserten Empfehlung seines Arztes beugen und schweren Herzens sein Geschäft auf­geben. Es begann eine Odyssee bei insgesamt 17 Spezialisten in der ganzen Schweiz. Fast jeder hatte eine andere Meinung und Idee darüber, was getan werden könnte. Das Vertrauen schwand und die Ungewissheit über seine Gesundheit, die Schmerzen, die Probleme mit den sich mittlerweile angehäuften Hypothekarzinsschulden und die finanziellen Ängste allgemein zermürbten den ehemaligen Fussball-Nachwuchstrainer zusehends.

Keine Schmerzen im Wasser

Es kamen jahrelange Streitigkeiten mit der Haftpflichtversicherung des LKW-Chauffeurs hinzu, welche die Kausalität der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und dem Unfall infrage stellte. Munz musste in der Folge sein Haus verkaufen, die Ehe ging in Brüche. Zu den körperlichen Schmerzen kam immer mehr auch seelischer Schmerz hinzu. «Ich war ganz unten», konstatiert der Dornacher nachdenklich. Heute lebt Munz mit zwei Prothesen aus Titan in der Lendenwirbelsäule. In der Reha in Leukerbad entdeckte er das Wasser für sich. «Die Therapien darin fühlten sich von Beginn weg gut an. Der Druck und die Last waren wie weg, wenn ich im Wasser sein konnte.» Was mit Gymnastikübungen im Flachwasser und Aquajogging begann, führte Munz langsam und stetig zum ausdauernden Langstreckenschwimmen. In der Schwerelosigkeit spüre er keine Schmerzen. Es ist ein Gefühl, das Munz sonst im Leben nicht mehr kennt. Für ihn passe daher die Metapher: «Schwimmen als Leidenschaft, das Wasser als ­Lebenselixier.»

Neben dem Schwimmbecken geht Munz’ Leidensweg weiter. Kraft gibt ihm seine neue Liebe. Die wenige Arbeit in seiner kleinen Marketingagentur müsse er sich gut einteilen, verrät Munz. Die Erschöpfung komme jeweils schnell. Als Botschafter von «The Blue Heart» engagiert sich Munz zudem für saubere Weltmeere.

Für den Weltfinal in Dubai qualifiziert

Die Platzierungen bei den Langdistanzschwimmen sind für Munz jeweils nebensächlich. Nach dem Erfolg in Zürich ist das nächste Ziel der Oceanman OpenWater-Weltfinal im Dezember in Dubai, für den sich der 63‑Jährige im Juni bei einem Schwimmen im Lago d’Orta im Piemont qualifizieren konnte.

Im Wasser blüht Munz auf. Die Sorgen daneben sind deshalb aber nicht kleiner geworden. In eineinhalb Jahren erreicht der Dornacher das Pensionsalter. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss, denn Pensionskassengelder oder auch eine Säule 3a konnte er sich aufgrund der Umstände nicht ansparen. Den körperlichen Schmerzen kann er davonschwimmen, den seelischen Schmerzen nicht.

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