Nach 27 Jahren nimmt sie ihren Hut

Wollten Sie schon immer einmal ein Hutgeschäft übernehmen? Dann ist dies Ihre Chance: Kult-Hutverkäuferin Svanette Belka aus Dornach sucht einen Nachfolger für ihren Laden.

Stylisch und aussergewöhnlich: Mit den selbst gemachten Ziernadeln verschönert Svanette Belka jede Kopfbedeckung. Foto: Faba Maieroni
Stylisch und aussergewöhnlich: Mit den selbst gemachten Ziernadeln verschönert Svanette Belka jede Kopfbedeckung. Foto: Faba Maieroni

Wann haben Sie das letzte Mal einen Hut getragen? Das muss wohl zu einer Hochzeit, einer Mottoparty oder vielleicht sogar zu einem ganz exklusiven Galaevent gewesen sein. Aber so im Alltag passt ein Hut doch nicht. Oder doch?

Die meisten Menschen tragen selten bis nie einen Hut. Wieso? Weil sie sich unwohl fühlen, weil sie denken, die Augen aller Menschen seien plötzlich auf sie gerichtet – kurz, weil Herr und Frau Schweizer es in der Regel nicht mögen, allzu auffällig durchs Dorf zu spazieren. Dabei haben schmucke Kopfbedeckungen einen wunderbaren Effekt: «Trägt man einen Hut, steht man automatisch aufrechter. Die hängenden Schultern straffen sich, das Selbstbewusstsein wird gleich grösser. Ein ‹gekröntes› Haupt ist eben das Tüpfelchen auf dem ‹i›», weiss Svanette Belka, die seit über 27 Jahren einen Hutladen mit Atelier in Dornach betreibt. Die 62-Jährige ist Feuer und Flamme für Kopfbedeckungen aller Art – und das schon seit 45 Jahren. Noch immer kommt die gebürtige Odenwälderin ins Schwärmen, wenn sie von ihren Werken erzählt. «Diesen Herrenhut hier hat mir ein Stammkunde zum Flicken gebracht. Er war ganz speckig und das Hutband hat sich gelöst. Ich habe ihn gründlich gereinigt und repariert.» Svanette Belka zeigt auf den grauen Hut und ergänzt, dass sie das Innenfutter jetzt nochmals kleben müsse. «Nicht dass der Kunde gleich in den Laden kommt und der Hut ist nicht fertig!»


Mut zum (richtigen) Hut
Svanette Belka ist Hutdesignerin, Verkäuferin und Modeberaterin. Einen Hut verkauft sie nur, wenn sie überzeugt ist, dass er dem Käufer dient. «Es bringt nichts, wenn sich meine Kundinnen einen extravaganten Hut kaufen, den sie dann nie tragen», betont sie. Eine Beratung sei inklusive, denn die wenigsten Kunden wüssten, was ihnen wirklich stehe. «Viele Menschen tendieren dazu, einen zu kleinen Hut zu kaufen, weil sie nicht auffallen wollen oder denken, in ihrem Gesicht sei sowieso alles schon zu ‹gross›. Doch das ist gerade falsch – bei Gesichtern mit einer ausgeprägten Wangenknochenpartie beispielsweise muss die Kopfbedeckung ausladender sein, so schmeichelt sie dem Gesicht.» Wenn Svanette selbst ohne Hut unterwegs ist, werde sie oft gefragt, weshalb sie denn keinen trage. Manchmal stehe auch ihr nicht der Sinn nach «Hut», denn: «Ich habe keinen Huttick, nur einen Hutladen», lacht Belka.


«Zu pompös, zu auffällig»
Vor genau 30 Jahren stellte Svanette während der Herbstmesse zum ersten Mal ihren Hutstand auf dem Petersplatz in Basel auf. Es gibt wohl kaum einen Marktbesucher, der dieses Hutparadies gegenüber dem Eingang der Universität Basel nicht kennt. Und viele werden sich genau da auch schon den einen oder anderen Kopfschmuck aufgesetzt und gekauft haben. Acht Jahre später, 1998, folgte der Basler Weihnachtsmarkt. Doch ihr Stand entsprach so gar nicht dem, was sich die ‹Marktpolizei› gewohnt war. «Meinen Stand dekorierten wir damals als Erste auch oben auf dem Dach weihnächtlich. Kaum hatten wir ihn aufgebaut, da kam die ‹Marktpolizei› und teilte mir schroff mit, dass ich diesen Stand so nicht aufbauen könne.» Zu pompös, zu auffällig und nicht regelkonform; so argumentierte der Aufseher und Belka musste die selbst gebastelte Dekoration wieder abmontieren.

Doch bereits im Jahr darauf lockerten die Verantwortlichen die Bestimmungen, üppige Stände wurden ein Muss, denn: «Ich habe mit dem damaligen Messepapst, wie alle markttreibenden Standinhaber den Marktverantwortlichen nennen, das Gespräch gesucht und darauf hingewiesen, dass jedes Kaufhaus mehr Ambiente hat. Der Basler Markt würde durch die Dekoration viel attraktiver und lebendiger werden. Und offenbar hat meine Idee Gefallen gefunden», sagt die Hutdesignerin zufrieden.


Hüte für das kleine Budget
Als junge Frau verkaufte Svanette an einem Flohmarkt am Mainufer in ihrer Heimat selbst gemachten Schmuck aus einem Bauchladen. Damit sie in der Masse nicht unterging, setzte sie sich einen grossen weissen Hut mit einer Straussenfeder auf. Die Leute bewunderten den Hut und wollten ihn der jungen Frau abkaufen. Da bemerkte Svanette das erste Mal, welche Wirkung ein Hut haben kann.
Fasziniert von diesem Medium, fuhr sie nach Florenz, da dort viele Hutmanufakturen angesiedelt waren, um sich mit Materialien einzudecken und den Hutmachern über die Schulter zu schauen. Auf den Wochenmärkten und Stadtfesten begann sie – völlig ohne Ausbildung oder Vorwissen – Hüte herzustellen, einzukaufen und wieder zu verkaufen. Von Frankfurt zog es Belka zum Studium in die Schweiz, nachdem sie ihren Mann kennen gelernt hatte.

Heute blickt die sympathische Frau mit dem ansteckenden Lachen auf ein Lebenswerk zurück. Nur wenige Geschäfte mit einem so spezifischen Angebot überleben über vier Jahrzehnte lang. «Es ist nicht ganz einfach, ein solches Geschäft zu betreiben», gibt Svanette Belka zu. Denn Luxusgüter, wie etwa die extravaganten Hüte in England, sind ihre Exponate nicht. Zwischen 50 und 350 Franken kosten die Hüte und Mützen, die Faszinators und Onko-Caps, von denen Svanette Belka einige tausend im Angebot hat. «Ich bin selbst eine Mutter von vier Kindern. Ich hätte mir nie einen teuren Hut leisten können. Deshalb habe ich meine Preise nicht hoch angesetzt – jeder und jede soll bei mir einkaufen können.»


Neues Ziel – neue Herausforderung
Anfang des Jahres hat sich Svanette Belka entschieden, für ihren Laden einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu suchen. Die 62-Jährige sagt von sich, altershalber nicht mehr genug Energie für den Laden zu haben. Kaum zu glauben, denn die Hutspezialistin strahlt noch immer voller Begeisterung, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt; ja, sie kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Ihre kommunikative Art sei vermutlich ihrer Hyperaktivitätsstörung (ADHS) geschuldet, wie sie offen erzählt. Die Diagnose erhielt Belka erst mit 50 Jahren, als sie nach ihrem letzten Weihnachtsmarkt ein Burnout erlitt. «Deshalb möchte ich nun kürzertreten und zur Ruhe kommen.» Sie wünsche sich eine jüngere Person, die genug Energie und Motivation mitbringe, den Laden zu übernehmen – die Einarbeitungszeit durch Svanette Belka ist inklusive. «Man muss wirklich keine Vorkenntnisse mitbringen – etwas Kreativität und Freude am Metier reichen», ist Svanette überzeugt. Und Sie?

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