Gempner lesen gemeinsam

Der Kulturverein Gempen lud zur ersten Ausgabe von «Gempen liest» den Schriftsteller Alain Claude Sulzer zu einer Lesung ein. Der Abend machte Lust auf mehr.

Machte den Auftakt: Schriftsteller Alain Claude Sulzer. Foto: Tobias Gfeller
Machte den Auftakt: Schriftsteller Alain Claude Sulzer. Foto: Tobias Gfeller

Kerzen an den Fenstern und auf dem Buffettisch, gedimmtes Licht und vorne in der Mitte Alain Claude Sulzer mit einer Nachttischlampe. Die Stimmung im Gustav-Ritter-Saal auf dem Sonnhalde-Areal erinnerte ans Lesen im Bett, wenn man trotz Müdigkeit das Buch nicht zur Seite legen kann. Gut 25 Personen sind am Freitagabend der Einladung des Kulturvereins Gempen gefolgt, was unter den herrschenden Umständen – es galt Zertifikatspflicht – eine doch beachtliche Zahl ist. Der in Riehen geborene Schriftsteller, Übersetzer und Essayist las aus seinem aktuellen Werk «Unhaltbare Zustände» vor. Der Kulturverein hat schon vor Monaten dazu aufgerufen, das Buch zu lesen. Die für den vergangenen Herbst vorgesehene Lesung musste aufgrund der damaligen Corona-Situation aber abgesagt werden. Selbst für den erfahrenen Schriftsteller war der Abend in Gempen besonders. «Das ist meine erste Lesung seit 22 oder 23 Monaten», meinte er fast entschuldigend, falls es an gewissen Stellen etwas haken sollte. Das tat es aber nicht und wenn, tat dies der stimmungsvollen Atmosphäre und der Lesung keinen Abbruch.

Eine Geschichte ohne Happy End

In «Unhaltbare Zustände» geht es um Schaufensterdekorateur Stettler, der sein Leben lang Schaufenster in einem Warenhaus in Bern den Jahreszeiten entsprechend dekoriert. Stettler ist ein ­konservativer Mann, der nicht offen für Neues ist und die Modernisierung der Gesellschaft in den 1960er- und 1970er-Jahre kritisch verfolgt und damit nicht viel anfangen kann. Auch an sich selber spürt er das Leben vorbeiziehen. Schon nur Stettlers fortschreitende Knieschmerzen werden im Buch mehrfach erwähnt. Als das Warenhaus einen neuen Schaufensterdekorateur anstellt, wird es für den Hauptprotagonisten zunehmend schwieriger. Der Konkurrent ist offen für Neues. Mehr noch, er fordert und fördert das Neue. Das entspräche auch der Realität dieser Zeit, erklärte Sulzer in der anschliessenden Diskussion. Die Schaufenster der Warenhäuser hätten sich in dieser Zeit rasant verändert. Am Standort Bern kamen im Buch zwei weitere Warenhäuser dazu, was den Druck auf die Schaufensterdekorateure, mit ihren Kreationen möglichst aufzufallen, zusätzlich steigen liess.

Stettler wird im Verlaufe der Geschichte immer introvertierter. Nur eine Radiopianistin, die er nicht persönlich kennt, erweckt sein Herz. Doch das Buch endet nicht glücklich. Er habe mit Absicht kein Happy End geschrieben, verriet Alain Claude Sulzer auf entsprechende Nachfrage. «Wäre die Geschichte gut ausgegangen, hätte ich sie ja nicht schreiben müssen.»

Das gemeinsame Lesen ausweiten

Nach der gut einstündigen Lesung wurde am Buffet eifrig weiterdiskutiert. Alain Claude Sulzer mischte sich selber unters Publikum und signierte auf Wunsch ­seine Bücher. Es war eine gelungene Premiere von «Gempen liest», einem Projekt des Kulturvereins. Künftig sollen regelmässig solche Lesungen stattfinden. Wie dann das Konzept aussehen wird, sei aber noch offen, betont Mitorganisator Roman Baumann. Entstanden ist die Idee aus einer privaten Lesegruppe heraus, die sich in Gempen regelmässig traf. Der Kulturverein wurde als offizielle Trägerschaft dazu geholt. «Wir dachten uns, es wäre toll, wenn wir das Lesen und das Diskutieren darüber breiter aufziehen würden», erklärt Baumann. Das ­gemeinsame Lesen im Dorf soll etabliert werden.

Dass ein Buch überall aufliegt und möglichst viele es lesen und dann im Dorf darüber diskutiert wird, diese Idee stammt ursprünglich aus den USA. Aufgrund der Pandemie musste der Kulturverein die Idee etwas abspecken. «Statt dem Lesefieber ist leider Corona ausgebrochen», sagte Roman Baumann schmun­zelnd. Was nicht ist, kann ja noch werden. Der Anfang ist jedenfalls gelungen.

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