«Es gibt noch viele offene Fragen»

Nach seinem Teilrück­tritt erklärt Gemeindepräsident Christian Schlatter dem Wochenblatt, wie er sich eine Amtsübergabe vorstellt.

Stand oft in der Kritik: Christian Schlatter gibt sein Amt für neue Kandidaten frei. Foto: bz Archiv
Stand oft in der Kritik: Christian Schlatter gibt sein Amt für neue Kandidaten frei. Foto: bz Archiv

Herr Schlatter, Sie gaben in der Gemeinderatssitzung vor einer Woche Ihren Rücktritt vom politischen Teil Ihres Amtes bekannt. Gemäss dem Amt für Gemeinden ist eine Demission schriftlich vorzulegen, der Gemeinderat muss anschliessend darüber befinden. Sie haben Ihren Teilrücktritt mündlich mitgeteilt, der Gemeinderat hat diesen bisher nur zur Kenntnis ­genommen. Wann wird er über den ­Antrag befinden?

So schnell wie möglich. Allerdings müssen wir intern noch ein paar Fragen klären, weil es nur ein Teilrücktritt ist. Deswegen ist dies eine spezielle Situation, die so eigentlich nicht vorgesehen ist. Der Gemeinderat muss nun zuerst schauen, wie ein solcher Teilrücktritt rein praktisch möglich wäre.

Können Sie denn aus rechtlicher Sicht den politischen Teil Ihres Amtes abgeben und weiterhin Verwaltungsleiter bleiben?

Wie soll ich sagen, es ist klar und es ist nicht klar. Die einzige Referenz, die es wirklich gibt, ist die Gemeindeordnung. Darin steht, dass in Dornach das Gemeindepräsidium den politischen Teil und den Verwaltungsteil vereint. Alles Abweichende muss nun der Gemeinderat festlegen. Wenn dieser beschliesst, ich kann nicht abtreten, werde ich das selbstverständlich akzeptieren. Schliesslich bin ich gewählter Vollamtspräsident bis Ende der Legislatur.

Werden Sie weiterhin Ihren vollen Lohn beziehen, sollte der Gemeinderat mit dem Teilrücktritt einverstanden sein?

Das muss der Gemeinderat beschliessen.

Noch während der Gemeinderatssitzung am letzten Montag versendeten Sie eine Medienmitteilung zu Ihrem Teilrücktritt. Damit wurde der Gemeinderat vor vollendete Tatsachen gestellt. War dieser Schritt nicht unkollegial?

Ich habe meinen Rücktritt öffentlich an der Sitzung mitgeteilt, damit war diese Information bereits draussen. Die Medienmitteilung habe ich in eigener Sache verschickt. Kollegialität hat eher einen schwierigen Stand im Gemeinderat Dornach.

Dieser Schritt zwingt den Gemeinderat nun aber dazu, eine Sonderlösung auszuarbeiten. Kurz vor den Wahlen und mitten im zweiten Lockdown keine leichte Aufgabe.

Es ist nicht schwieriger als sonst, es fragt sich immer, wo der Wille ist. Im Wahlkampf, der ja bereits seit längerem läuft, gibt es Themen, die nicht sachlich beurteilt werden. Und das ist für mich die grosse Schwierigkeit. Für mich ist das eine sachliche Mitteilung. Ich möchte Klarheit schaffen für die ­Wahlen und auch der Organisation die Möglichkeit geben, die sie braucht. Es gibt noch viele offene Fragen, die zum Teil bis in meine privaten Lebensumstände hineinreichen, und die der Gemeinderat noch nicht beantworten konnte. Wir haben die Abstimmung zum Ressortsystem abgewartet, jetzt kann der Weg für weitere Klärungen geöffnet werden. Die Arbeitsgruppe wird sich nun rasch Gedanken zum ­weiteren Vorgehen machen. Ich glaube nicht, dass Corona hier eine grosse ­Rolle spielt. Wir haben einen Modus vivendi gefunden, der uns erlaubt, handlungsfähig zu bleiben.

Lassen Sie die Gemeinde in dieser heissen Phase nicht im Stich?

Ganz im Gegenteil, sonst hätte ich das nicht gemacht. Aus meiner Sicht ist meine Amtszeit sehr stark von meiner Verlässlichkeit und meinem Engagement für die Gemeinde geprägt gewesen. Und nun habe ich mein Ziel, das Ressortsystem einzuführen, erreicht. Jetzt müssen sich neue Personen einbringen können. Ich sehe meinen Rücktritt eher als Entkrampfung der Situation. Denn in den letzten Wochen ging es nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um meine Person. Ein Verwaltungs- und politischer Leiter, der immer so im Kreuzfeuer steht, der kann gar nicht mehr richtig funktionieren und schadet damit der Organi­sation.

Sie betonen, Ihr Teilrücktritt erfolge, weil Sie Ihr Wahlversprechen, das ­Ressortsystem einzuführen, eingelöst haben. Ist das Grund genug? Sie könnten ja auch erst im April bei den Neuwahlen abtreten.

Ich bleibe der Gemeinde noch bis zu den Wahlen als Verwaltungsleiter erhalten. Aber in diesem Strudel, in dem sich die Gemeinde befindet, möchte ich eine Entspannung herbeiführen. Jetzt sollen sich Kandidaten präsentieren – im Gemeinderat gibt es ja garantiert solche, die Ambitionen auf das Amt haben – und mit diesen soll die Gemeinde wachsen und funktionieren.

Noch im September erklärten Sie in einem Interview mit der bz, Sie stünden einer «erneuten Kandidatur sehr positiv gegenüber». Wie kam es zum Meinungswechsel?

Eines voraus: Das Amt ist spannend und eine erfüllende Aufgabe. Aber über die Weihnachtstage und in diesem ganzen Strudel habe ich für mich selbst gemerkt, dass es reicht. Es ist jetzt der Zeitpunkt, das Amt zu übergeben. Ich habe mir auch gedacht, wenn ich nochmals antrete und wieder vier Jahre Gemeindepräsident bin, dann wäre ich schon 13 Jahre dabei. Man sollte vermeiden, so lange an einem Ort zu bleiben. Ich bin kein Sesselkleber, das ist für mich eine grauenhafte Vorstellung.

Sie wollen die politische Verantwortung an Vizepräsident Daniel Müller übergeben. Kann eine Zusammenarbeit nach den Zerwürfnissen in den letzten Monaten überhaupt funktionieren?

Es muss, das ist unser Auftrag der Bevölkerung. Das Zerwürfnis ist übrigens relativ einseitig gekommen. Unser System krankte bis anhin daran, dass die gesamte Verantwortung an einer Person hing. Alle anderen konnten sich Angriffe erlauben, die nicht dazu führen, dass die Organisation weiterkommt. Das ist für mich das grosse Ärgernis – dass man nicht den Willen entwickelt hat, ein Ziel gemeinsam zu erreichen.

Von den bürgerlichen Parteien und ­einigen Gruppierungen ist Ihr Rücktritt positiv aufgenommen worden. Gibt Ihnen das zu denken?

Nein, ich habe den Entscheid nicht wegen des Lärms aus dieser Ecke gefällt. Aber dass mein Rücktritt positiv aufgenommen wird, gibt mir die Hoffnung, dass der Lärm um meine Person nun ­abnimmt und wir sachlich einen Schritt weiterkommen. Ich möchte nun gerne einmal von den Kandidatinnen und Kandidaten hören, welche Inhalte sie bringen möchten. Nur immer alles zu kritisieren, ist für mich ein Armutszeugnis.

Gibt es Ihrer Meinung nach einen geeigneten Kandidaten oder eine geeignete Kandidatin im Gemeinderat fürs Präsidium?

Aus der Sicht des Vollamtspräsidenten sehe ich niemanden. Aber für das neue Teilamt, das viel politischer ist und bei dem das Administrative über die Verwaltungsleitung abgewickelt werden soll, wird es geeignete Kandidaten geben. Es hängt am Schluss auch davon ab, wer die Verwaltungsleitung übernimmt. Die ­Arbeit funktioniert nur im Tandem.

Die FWD hatte mit Ihnen neun Jahre das Präsidium inne. Birgt der Rücktritt die Gefahr, dass die FWD den Sitz des Gemeindepräsidenten verliert und vielleicht ihre Stärke einbüsst?

Die Freien Wähler waren bei den letzten Wahlen die wählerstärkste Partei, das wird wohl auch so bleiben. Aus dieser Wahlarithmetik betrachtet, ist es möglich, dass dort eine Folgelösung entsteht. Für mich ist es viel wichtiger, dass es eine geeignete Person ist, die für die Gemeinde einsteht. Mir ist es egal, für welche Partei diese Person kandidiert.

Sie kandidieren für die GLP für den Kantonsrat. Wie sieht Ihre politische Zukunft aus?

Ich bleibe politisch aktiv, aber nicht auf lokaler Ebene, das wäre falsch. Ich möchte nicht der sein, der den zukünftigen Amtsträgern noch Anweisungen gibt – da unterscheide ich mich deutlich von meinem Vorgänger. Ich habe doch während neun Jahren politische Erfahrungen, auch auf kantonaler Ebene, gesammelt, die ich nun gerne einbringen möchte.

Und wie geht es beruflich weiter?

Da ist noch alles offen. Ich werde mich jetzt erst mal bereitmachen, dass der Wechsel reibungslos über die Bühne geht. Ich habe noch keine neue Aufgabe, freue mich aber sehr darauf, mich mit meiner beruflichen Zukunft zu befassen.

Weitere Artikel zu «Dornach/Gempen/Hochwald», die sie interessieren könnten

Dornach/Gempen/Hochwald16.10.2024

Dornacher Gemeinderat will Steuern um sechs Prozent erhöhen

Der Gemeinderat erklärte die Lesungen des Budgets 2025 zur Geheimsache– auch jene Debatte um eine geplante Steuererhöhung. Das gab Anlass zu Spekulationen.
Dornach/Gempen/Hochwald09.10.2024

Neues Theater: Das Comeback einer vergessenen Autorin

Die Basler Schriftstellerin Ruth Waldstetter (1882–1952) genoss zu Beginn des 20. Jahrhunderts hohes Ansehen. Mit der Zeit geriet sie aber in Vergessenheit –…
Dornach/Gempen/Hochwald09.10.2024

«Birdwatching» auf dem Gempen

Die beiden Natur- und Vogelschutzvereine Dornach und Arlesheim trafen sich am Sonntag zum «Birdwatching»: Dabei wurden Zugvögel beobachtet, gezählt und…