Brückenschlag von regionaler Bedeutung

Eine neue Velo- und Fussgängerbrücke soll künftig das Reinacher Industriegebiet Kägen mit dem Bahnhof Dornach-Arlesheim verbinden.

Für Velofahrer ungeeignet: Die Verhältnisse auf der stark befahrenen Brücke über die Autobahn A18 sind unbefriedigend. Foto: zVg

Für Velofahrer ungeeignet: Die Verhältnisse auf der stark befahrenen Brücke über die Autobahn A18 sind unbefriedigend. Foto: zVg

Ein «Velo-S»: Wegen der Höhendifferenz zwischen Reinach (links in der Abbildung) und Dornach soll die Brücke kurvenförmig über die Autobahn A18 verlaufen. Abbildung: zVg

Ein «Velo-S»: Wegen der Höhendifferenz zwischen Reinach (links in der Abbildung) und Dornach soll die Brücke kurvenförmig über die Autobahn A18 verlaufen. Abbildung: zVg

Wer die Brücke über die Autobahn A18, die Dornach mit Reinach verbindet, im Abendverkehr passieren möchte, steht meist im Stau. Die Bruggstrasse ist regelmässig überlastet, lange Rotphasen sorgen für Rückstau in den Gemeinden. Besonders unattraktiv ist sie für Velofahrer oder Fussgänger – separate Fahrradwege gibt es nicht.

Der Kanton hat die Pflicht, den Langsamverkehr zu fördern. Seit den 1980er-Jahren ist er deshalb dabei, ein kantonales Radroutennetz für den Alltagsverkehr auszubauen. Im Jahr 2009 hat Baselland dieses im kantonalen Richtplan festgehalten. Seither bestehen noch immer Netzlücken – eine davon auf der Verbindung zwischen dem Bahnhof Dornach-Arlesheim, einem wichtigen ÖV-Drehscheibenpunkt der Region, und dem Industriegebiet Kägen in Reinach.

Die Schliessung der Radnetzlücken sei eines der wichtigsten Verkehrsprojekte des Kantons, hält Armin Schmauss, Stellvertretender Leiter Projektmanagement und Projektleiter für Radrouten beim Tiefbauamt Baselland, auf Anfrage fest.

Die Autobahn fungiere derzeit als Barriere zwischen zwei Gebieten, einen direkten Zugang vom Bahnhof Dornach-Arlesheim ins Industriegebiet Kägen, das kantonal von grosser Bedeutung ist, gibt es derzeit nicht. «Die geplante Brücke ist ein letztes Puzzleteil in der West-Ost-Verbindung auf dem Radroutennetz.»

Neue Brücke sei die beste Lösung

Der Kanton hat in Zusammenarbeit mit der Gemeinde verschiedene Varianten geprüft, unter anderem auch, ob die bereits vorhandene Brücke über die Autobahn A18 für den Langsamverkehr ausgebaut werden kann. Es habe sich jedoch gezeigt, dass ein Ausbau entlang der Bruggstrasse in Richtung Dorfzentrum Reinach nicht mehr möglich wäre: «Aufgrund der Gebäude haben wir dort zu wenig Platz, um die Spuren auszubauen. Zudem wäre der Langsamverkehr bei dieser Variante weiterhin auf der stark befahrenen Strasse angesiedelt, was die Sicherheit der Velofahrenden beeinträchtigt. Auch wäre diese Lösung nicht kostengünstiger als der Neubau einer separaten Brücke», so Schmauss. Eine Unterführung sei nicht in Frage gekommen: Die Autobahn liege dafür zu tief.

Deshalb hat der Kanton zusammen mit der Gemeinde Reinach eine separate, 130 Meter lange und 4,5 Meter breite Stahlbrücke geplant, die vom Christoph-Merian-Ring her in einer Art S-Form über die Autobahn A18 bis zur Fluhstrasse verlaufen soll (siehe Abbildung auf Seite 2). «Die Veloroute wird anschliessend entlang des Stöcklin-Areals – einem neuen Wohnquartier für rund 2000 Menschen, das 2024 fertiggestellt werden soll – weitergeführt. So entsteht eine direkte Verbindung zwischen dem Bahnhof und dem Industriegebiet Kägen.»

Ein Wermutstropfen bleibt aber: Denn trotz der neuen Velobrücke ist auf Dornacher Boden dann Schluss mit der ausgebauten Route: Bis zum Bahnhof Dornach-Arlesheim muss wie gewohnt über die Hauptstrassen gefahren werden. Ein Fahrradweg über die Nepomukbrücke, die über die Birs nach Dornach führt, wurde bereits geprüft, «allerdings sind Veränderungen aufgrund des Denkmalschutzes eher schwierig umzusetzen», erklärt Schmauss. «Diese Route würde allenfalls als kommunale Ergänzung dienen.»

Reinach trägt einen Viertel der Kosten

Die Kosten von knapp 6,27 Millionen für die neue Brücke über die A18 sollen aufgeteilt werden: 1,83 Millionen übernimmt der Bund, das entspricht dem voraussichtlichen Maximalbetrag aus dem Agglomerationsprogramm Basel (mit dem Programm Agglomerationsverkehr beteiligt sich der Bund finanziell an Verkehrsprojekten von Städten und Agglomerationen), 2,87 Millionen übernimmt der ­Kanton, 1,57 Millionen – sprich 25 Prozent der Kosten – muss die Gemeinde Reinach tragen. «Da die Brücke auch für den Fussverkehr gebaut wird, ist die Gemeinde verpflichtet, sich an den Kosten zu beteiligen», erklärt Armin Schmauss.

Doch kann sich die verschuldete Gemeinde Reinach das leisten? Der zuständige Gemeinderat Markus Huber (SP) findet: «Ja. Wir haben jetzt die Chance, eine Brücke mit einer Lebensdauer von etwa 100 Jahren zu kriegen. Da wir uns im eng besiedelten und bebauten Gebiet mit hoher Verkehrsdichte befinden, gibt es keine einfachen, günstigen Lösungen, die funktionieren. Eine halbe Lösung würde die Verkehrssituation nur verschlimmbessern. Deshalb lieber eine richtige Lösung für die Erschliessung des Gewerbegebietes Kägen, denn der Velo-Boom wird auch in Zukunft anhalten.» Der Zeitpunkt für den Bau der Brücke sei jetzt ideal. «Ungefähr gleichzeitig soll das neue Stöcklin-Areal fertig sein. Zudem wird voraussichtlich ab 2025 die S-Bahnlinie zwischen Delémont und Basel SBB im 15-Minuten-Takt realisiert. Die Velobrücke ist eine wichtige Verbindung und bietet eine gute Alternative zur Anreise mit dem Auto.» Das mache die Firmen auf dem Kägenareal als Arbeitgebende wiederum interessanter. «Der Arbeitsweg ist vermehrt ein wichtiges Kriterium für Arbeitnehmende», sagt Huber.

Einwohnerrat entscheidet am Montag

Realisiert werden soll die Brücke zwischen 2023 und 2024. Vorausgesetzt, die Pläne meistern die politischen Hürden. Die Vorlage wird am kommenden Montag im Einwohnerrat diskutiert und dann wahrscheinlich an die Sachkommission Bau, Umwelt und Mobilität (BUM) überwiesen. Diese wird das Projekt analy­sieren und dem Einwohnerrat Bericht erstatten. Nach der Annahme durch den Einwohnerrat müsste der Regierungsrat die Nutzungsplanung bewilligen. Das Tiefbauamt könnte anschliessend das Baubewilligungsverfahren angehen.

Bewilligt der Einwohnerrat den Baukredit hingegen nicht, ist der Prozess gestoppt. Das wäre für Reinach ein grosser Verlust, ist Huber überzeugt. «Der Einwohnerrat muss sich überlegen, ob er das Kägengebiet unterstützen und attraktiver machen möchte. Ohne die Brücke sehe ich die Entwicklungschancen des Areals geschmälert.» Das sieht auch Armin Schmauss so. Der Beitrag vom Bund verfällt im Jahr 2027. Der Kanton hat seine finanziellen Mittel bereits gesichert, um die Kosten gemeinsam mit dem Bund und der Gemeinde zu stemmen. Würde die Finanzierung der Gemeinde jedoch wegfallen, müsste das Projekt neu geprüft werden, so Schmauss.

Huber sieht für dieses Szenario schwarz: «Für diejenigen, die im Kägen arbeiten und von der ÖV-Drehscheibe Dornach-Arlesheim kommen, für die Bewohner des neuen Stöcklin-Quartiers, und auch für alle anderen, die auf dieser Brücke langsam unterwegs sind, ist der aktuelle Zustand nicht haltbar.»

Es wäre eine verpasste Chance, wenn das Projekt abgelehnt würde. «Eine Alternative haben wir nicht.»

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