«Bis heute habe ich nicht genug von dieser schönen Arbeit»
Per Ende Juli wird Heidy Bilger nach 44 Jahren als Kindergärtnerin pensioniert. Im Mittelpunkt standen für sie stets die Kinder, die Eltern und die Kollegen.
«Ich mache nur schnell die Musik aus», ruft gut gelaunt Kindergärtnerin Heidy Bilger, als sie am Freitagmittag ihre Aufräumarbeiten fürs Interview unterbricht. Der grosse Raum des Kindergartens im Gerenmattschulhaus ist ruhig, die 18 Kinder, die hier jeden Vormittag verbringen, sind ins Wochenende entschwunden. Auch Heidy Bilger wird bald entschwinden, denn nach 44 Jahren Tätigkeit als Kindergärtnerin in Arlesheim steht die Pensionierung direkt vor der Tür. Ihren ersten Arbeitstag hatte Bilger 20-jährig am 1. April 1977. Das war damals kein Scherz, sondern der Beginn einer Lebensaufgabe, der sich die passionierte Kindergärtnerin «mit Herzblut» verschrieb. Was Bilger an den Kindern von Anfang an mit am meisten fasziniert und begeistert hat, ist «dieses wunderbare Alter voller Interesse und Hingabe für die Welt». Und sie fügt an: «Wenn ich irgendwann einmal genug gehabt hätte, dann hätte ich aufhören müssen. Aber bis heute habe ich nicht genug von dieser schönen Arbeit.» Über der Maske blitzen die fröhlichen Augen, während Bilger leidenschaftlich von ihrer Tätigkeit mit den Kindern, den Eltern und den Kolleginnen und Kollegen berichtet.
Begeisterter Beziehungsmensch
Für Heidy Bilger war schon im Kindergarten klar, dass sie einmal selbst Kindergärtnerin werden will. Obwohl es zwischenzeitlich noch andere Berufswünsche gab, absolvierte sie nach zehn Schuljahren ein einjähriges Sozialpraktikum in einem Kinderheim und besuchte danach das Kindergartenseminar in Liestal. «Neben meiner Begeisterung für die Kinder habe ich mich an der Schule in Arlesheim in all den Jahren immer sehr wohlgefühlt», erklärt Bilger ihre langjährige Tätigkeit. Zwischendrin habe sie einmal mit dem Gedanken gespielt, noch etwas anderes zu machen, aber sie sei hängen geblieben. «Ich bin ein Beziehungsmensch.»
Angefangen hat sie im Mattweg 80 mit einem Doppelkindergarten, wechselte nach rund 20 Jahren in die Blauenstrasse, ging zurück in den Mattweg und ist seit 2017 im Gerenmattschulhaus. «Der Mattweg war mein Kindergarten», schwärmt sie von vergangenen Zeiten. «Grosse Räume, gutes Wohnklima, schöner Garten – es war wie ein zweites Zuhause.» Mit der Zeit habe sie sich im Mattweg jedoch allein gefühlt und obwohl sie nicht so gern umziehen wollte, habe der Standort im Schulhaus auch seine Vorteile, allen voran die unmittelbare Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen.
Kreativer Tatendrang
In all den Jahren hat Heidy Bilger unzählige Kinder kommen und wieder gehen sehen. Und manchmal habe sie sich doch gewünscht, mit ihnen noch ein, zwei Jahre weiterzugehen. Dieses stete Kommen und Gehen sei anspruchsvoll gewesen. Gleichzeitig sorge aber dieser Wechsel mit dafür, dass es nie eintönig werde. Auch habe sich ihre Rolle verändert. Sei sie mit 20 jünger als die Eltern gewesen und von manchen zweifelnd betrachtet worden, ist sie nun im Grossmutteralter, strahlt Ruhe und gewachsene Autorität aus. Eigene Kinder, erzählt die Kindergärtnerin, waren für sie keine Option – sie hatte ja so schon genug. Und wenn sie nach getaner Arbeit nach Hause kam und kommt, ist sie mit Vorliebe kreativ und liebt es auszuprobieren, etwa Ideen für den nächsten Tag. Auch für die Zeit nach dem Kindergarten habe sie schon 100000 Ideen, lacht Bilger voller Tatendrang, etwa den Rhein (in Etappen) von der Quelle bis zur Mündung abzuwandern, eine Sprache zu lernen oder gemütlich ein schönes Hörbuch zu hören. Zuerst jedoch werde sie den Kindergarten im Juli gründlich durchforsten, aufräumen und reinigen. Und so nach dem Abschied von den Kindern auch Abschied nehmen von 44 Jahren wertvoller Beziehungsarbeit.