Ein Arleser Ehepaar leistet epochale Arbeit
Hanny Christen ist für die Schweizer Volksmusik das, was Bartók und Kodály für die osteuropäische waren. Fritz und Annerose Krey initiierten ein grundlegendes Buch und eine Ausstellung über «s Musighanneli».
Das Buch «Hanny Christen. Ein Leben für die Volksmusik» kann kaum überschätzt werden. Es ist ein epochaler Beitrag zur Schweizer Volksmusik, initiiert vom Ehepaar Krey und von weiteren Fachleuten geschrieben. Das 159 Seiten starke Werk liegt gut in der Hand, ist sorgfältig illustriert und bietet alles, was man zu Christen wissen muss. In Liestal läuft derzeit im Museum.BL noch bis zum 11. September eine liebevoll gestaltete Ausstellung mit dem Titel «S Musighanneli». Zuständig waren Jennifer Degen und Lukas Meili, beide vom historischen Fach. Caroline Schmidt war die Ausstellungsmacherin.die Initiatoren waren wiederum Fritz und Annerose Krey, die die Unterlagen zur Verfügung stellten. Seit 13 Jahren beschäftigt sich das Ehepaar aus Arlesheim mit der neuen Volksmusik und dem Leben und Werk von Hanny Christen (1899–1976). Fritz Krey nennt diese Musik «innovative Volksmusik», deren Vertreterinnen und Vertreter auf die Melodien der Sammlung z.B. von Hanny Christen, die Sagematter Sammlung (Aegeri) und die Altfrentsch-Sammlung (AI, AR, Toggenburg) u.a. zurückgreifen. Hanny Christen setzte sich selbst für eine Restauration der Volksmusik ein und bezeichnete die Ländlermusik als authentisch. Die zehnbändige Hanny-Christen-Sammlung mit Registerband umfasst rund 12000 Volksmusikstücke, die Christen im Laufe ihres Lebens in der ganzen Schweiz gesammelt hat. Die Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály sammelten in einem geografisch grösseren Gebiet nur halb so viel Noten- und Aufnahmematerial.
Das 20. Jubiläum der Musiksammlung der Baselbieterin war der Anlass für die Ausstellung und das Buch. Annerose Krey erzählt, sie habe für die Zusammenfassung des teilweise chaotisch abgelegten Archivmaterials 43 Ordner durcharbeiten müssen. Ziel ist es, das gesamte Archivmaterial zu digitalisieren.
Beiträge der Forschungselite
Das Buch beginnt mit dem Grusswort von Esther Roth, der Leiterin Amt für Kultur des Kantons BL. Anstatt eines Vorworts hat Astrid Brügger, eine Grossnichte von Hanny, persönliche Erinnerungen an die Sammlerin aufgeschrieben. Der Komponist und Cellist Fabian Müller schildert die Entdeckung des Notenmaterials in der Unibibliothek Basel und den Weg bis zur Veröffentlichung im Jahre 2002. Der Hochschuldozent Dieter Ringli legt «Hanny Christen und ihre Musiksammlung» vor. Der «Volktanzpionierin abseits des Mainstreams» widmet sich Johannes Schmid-Kunz. Die Musikethnologin Silvia Delorenzi-Schenkel legt einen Beitrag zur Tonbändersammlung von Christen vor. Über «s Musighanneli» als «bemerkenswerte Persönlichkeit im Kontext des 20. Jahrhunderts schreibt Annerose Krey. Dem Thema «Vom Musig-Hanneli zur Hanneli-Musig» gehört das Interesse des zweiten Beitrags von Delorenzi. Der Hauptteil schliesst mit dem Lebenslauf von Hanny Christen und der Familiengeschichte, verfasst von Fritz Krey.
Nur ein Zwischenschritt
Für Musikliebhaber ist das Buch Pflichtlektüre. Was Wysel Gyr fürs Fernsehen geschaffen hat, ist dieses Buch für die Hausbibliothek. «Was jetzt als Höhepunkt gefeiert wird», sagt Krey, «ist nur ein Zwischenschritt. Das Archivmaterial muss in den Hochschulen von Luzern, Zürich und anderen weiterbearbeitet werden. Fritz und Annerose Krey gebührt wohl ein Wikipedia-Eintrag zu den wichtigen Persönlichkeiten von Arlesheim.
Fritz und Annerose Krey u.a.: Hanny Christen. Leben für die Volksmusik, Librum Publishers & Editors, Basel/Frankfurt a.M. 2022, Fr. 35.–.