Der Hof Bachmatt und das Veloziped

Am kommenden Montag und Dienstag fährt die Tour de Suisse durch die Region und lockt ein grosses Publikum an. Vor knapp 150 Jahren brachte das erste Velo im Thierstein die Menschen zum Staunen.

Ein Fahrrad aus einer anderen Zeit: Im Fahrradmuseum von Urs Hänggi in Nunningen kann man auch ein Veloziped mit Vorderradantrieb von Pierre Michaux (1813-1883) bestaunen. Foto: Linard Candreia
Ein Fahrrad aus einer anderen Zeit: Im Fahrradmuseum von Urs Hänggi in Nunningen kann man auch ein Veloziped mit Vorderradantrieb von Pierre Michaux (1813-1883) bestaunen. Foto: Linard Candreia

Der in Basel wohnhafte, gebürtige Strassburger mit dem Familiennamen «Lex» (1789–1872) war vermögend und Eigentümer des Hofgutes Bachmatt. Dieses befindet sich auf einer Anhöhe zwischen Wahlen und Büsserach am Fusse des Chienbergs. Hier verbrachte der alte Seigneur aus Basel die Sommerfrische. Und hier erwartete er an einem Sommertag seinen Enkel aus Paris, dessen Vater von Napoleon III. in die Grossstadt berufen wurde und dort eine brillante Politkarriere eingeschlagen hatte. Grandpapa Lex genoss es, vom stolzen Hof übers grosse Feld zu blicken. Auch der langgezogene Blauen imponierte ihm.

Der Autor Alfred Affolter beschreibt im Schwarzbubenkalender von 1962 unter dem Titel «Wie das Velo zum Thierstein kam» die Ankunft des ­Enkels aus Paris, ums Jahr 1862. Dieser brachte ein für den Thierstein merkwürdiges Fortbewegungsmittel mit: «Auf der Strecke von Paris bis Basel wurde dieses Velo auf die Eisenbahn verladen. Da die Jurabahn damals noch nicht fuhr [ab 1875], muss man nicht glauben, dieser Jüngling habe die Strecke von Basel bis Büsserach auf dem Velo zurückgelegt, was heute etwas Selbstverständliches wäre. Nein, dieses Velo wurde für die Fahrt von Basel bis nach Breitenbach auf ein Botenfuhrwerk verladen.

An einem Sonntagnachmittag machte nun dieser junge Mann auf der Strasse zwischen Büsserach und Erschwil Fahrübungen, das hatte in diesen beiden Orten einen Volksauflauf zur Folge. Die Leute mussten staunen, wie ein junger Mann auf zwei Rädern im Gleichgewicht bleiben konnte und dazu sich noch vorwärts bewegte. Die Jugend sprang ihm nach. Die damaligen Zuschauer ahnten noch nicht, dass ihre Nachkommen in wenigen Jahrzehnten auf solchen Rädern von vollendeter Eleganz fahren werden und dass das Velo, das am Anfang nur ein Spielzeug war, folglich nur dem Luxus diente, dereinst das unentbehrlichste Verkehrsmittel des erwerbstätigen ­Volkes werde.»

Fahrradmuseum Nunningen

14. März 2022, an einem sonnigen Tag: Der 90-jährige Urs Hänggi war am Holzzubereiten. Seinen spontanen Besucher, der ein Veloziped fürs Wochenblatt fotografieren wollte, liess er nicht im Stich. Und ab ging’s ins Fahrradmuseum. Flexibilität pur. Die rund 200 jährige Geschichte des Velos kann man in Hänggis Museum aufgrund einer chronologisch sauberen Anordnung sehr gut nachvollziehen: Zuerst war das Rad; viel, viel später am Anfang des 19. Jahrhunderts, folgte das Drais-Laufrad; dann kam das bekannte Veloziped von Pierre Michaux mit Vorderradantrieb und kurz darauf die Ära der nicht ganz ungefährlichen Hochräder. Weitere Neuerungen folgten: der Antrieb übers Hinterrad, vom Vollgummireifen zur Luftbereifung, die Entwicklungen der Übersetzungen und einige mehr. Nicht wenige Besucher seien beim Betreten des Fahrradmuseums überrascht, meinte Hänggi mit einem verschmitzten Lächeln. «Herrgott, die Vielfalt do inne!», habe er schon zu hören bekommen.

Quelle: «Wie das Velo zum Thierstein kam», Alfred Affolter, in: Dr Schwarzbueb, 1962. Fahrradmuseum von Urs & Berta Hänggi, Nunningen/Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung: 061 791 00 80.

Tour de Suisse 2022

Am Montag 13. Juni startet die zweite Etappe in Küssnacht um 12.20 Uhr. Nach 195 Kilometern und 2806 Höhenmetern erreichen die Fahrer um ca. 17.20 Uhr das Ziel in Aesch. Nach einer ersten Zieldurchfahrt beim Festzentrum an der Ettingerstrasse werden die Fahrer nach einer Zusatzschlaufe über Nunningen – Laufen – Chall im Ziel in Aesch eintreffen. Am Dienstag 14. Juni bietet sich die Gelegenheit, die Tour de Suisse im Startgelände hautnah zu erleben und den Start der Radfahrer in der ersten Reihe mitzuerleben. Die dritte Etappe startet in Aesch um 12.50 Uhr. Die Fahrer radeln über Duggingen, Seewen, Nunningen, Breitenbach, Laufen, Liesberg und erreichen am Abend das Ziel in Grenchen.

Wettbewerb:Das Wochenblatt verlost fünf offizielle Trikots der Tour de Suisse. Einfach ein E-Mail an die Adresse manuela.jobin@chmedia.ch mit dem Stichwort «Tour de Suisse» senden, Name, Adresse und Telefonnummer nicht vergessen! Die Gewinnerinnen und Gewinner werden direkt benachrichtigt. Einsendeschluss ist der Montag, 13. Juni. Viel Glück!

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