Vivaldi fährt Achterbahn
Im Rahmen der Laufner Kammerkonzerte gastierte das Orchester Il Giardino Armonico unter der Leitung von Giovanni Antonini in der St. Katharinenkirche. Gaststar war die Geigerin Patricia Kopatchinskaja.
Eine Menschenschlange bis weit in die Viehmarktgasse muss etwas Grosses ankündigen. Die St. Katharinenkirche zeigt sich eine halbe Stunde später dann tatsächlich proppenvoll, während die Musikerinnen und Musiker vorne im Chor ihre Saiteninstrumente noch aufs Reinste einstimmen bis sie sich an ihre Plätze begeben. Giovanni Antonini tritt auf, hebt die Hände und der Wohlklang beginnt: Concerto for strings RV 157. Alles etwas ungewohnt: Giovanni Antonini dirigiert mit den Händen, ohne Dirigentenstock, die meisten der 16 Instrumentalisten stehen und bewegen sich zum Spielen. Die äusserst subtile Dynamik von Vivaldis Musik wird so optisch noch emotionaler. Patricia Kopatchinskaja, eine der ganz grossen Violinistinnen ist an diesem Dienstagabend in der St.Katharinenkirche in Laufen Solistin. «Das verrückte Projekt», wie sie es selbst nennt, thematisiert die Musik Antonio Vivaldis und stellt diese in den Kontext moderner Komponisten: Luca Francesoni, Simone Movio, Giacinto Scelsi, Aureliano Cattanco und Giovanni Sollima. Nur der im Programmheft stehende Titel «Dilanio avvinto» kann nicht gespielt werden, weil Komponist Marco Stroppa die Noten erst vor wenigen Tagen fertiggestellt hatte. «Wir sind zwar fleissig am Üben, sind aber noch nicht ganz bereit zur Aufführung», erklärt Kopatchinskaja, die sich auf dieses Projekt schon seit vielen Jahren freut. Das fehlende Stück tut der Qualität des Konzertabends keinen Abbruch. Die fünf Vivaldi-Konzerte, zum Teil nahtlos gefolgt von den modernen Kompositionen ergänzen sich. Trotz völlig unterschiedlichen Harmonien, Tonabfolgen und musikalischen Themen, bilden diese Kompositionen keinesfalls Kontrast sondern vielmehr Ergänzung. Es geht bei diesem Projekt darum, die Dramatik, die Schreckensmomente, die Überraschungseffekte, die schon in der Musik Vivaldis präsent sind, zu verstärken und bewusst zu machen. Vivaldi lässt sich auf eine turbulente schwindelerregende Achterbahnfahrt ein. Und Patricia Kopatchinskaja fährt mit. Während sie bei Vivaldi vor allem technische Fingerfertigkeit und Präzision mit dem Bogen beweist, zeigt die in der ehemaligen Sowjetunion geborene und in Bern wohnhafte Violinistin in den modernen Kompositionen die verrücktesten Klangvarianten. Und immer wieder folgt nach einem modernen Tongebilde die harmonische Musik Vivaldis, die aber für jene Zeit – Vivaldi lebte von 1678 bis 1741 – durchaus auch voller Dramatik sein kann, wie beispielsweise «La Tempesta di mare» deutlich macht.