Sind sie umgezogen oder tot?
Sind die geschützten Bachneunaugen tot oder umgezogen? Die Meinungen gehen auseinander. Sicher ist lediglich, dass wegen der Bauarbeiten an der Birs der Lebensraum beim Zwingener Schloss zerstört ist.
Unbestritten ist, dass Zwingen einen verbesserten Hochwasserschutz braucht. Deshalb hat der Kanton bei der Kreiselbrücke die Flusssole abgesenkt. Unbestritten ist auch, dass das Projekt ausgeschrieben und rechtskräftig genehmigt ist. Unbestritten ist zudem, dass sowohl die Fischerei-Pachtvereinigung des Bezirks Laufen (Fipal) als auch der Kanton wussten, dass in diesem Bereich Bachneunaugen leben. Diese sind auf der Roten Liste. In der Schweiz sind sie stark gefährdet, in der Birs kommen sie von Delsberg bis nach Birsfelden an mehreren Orten vor.
Weil die Sole in diesem Bereich um bis zu 1,5 Meter abgesenkt wurde, hat die Birs den Schlamm weggeschwemmt. Und mit ihm die Larven (sogenannte Querder) der Bachneunaugen, welche in der Schweiz stark gefährdet sind.
Was mit diesen Querdern passiert ist, weiss man nicht. «Wir gehen davon aus, dass die Mehrheit der Querder auf natürliche Art und Weise abgeschwemmt wurde und im unterliegenden Stau einen neuen Lebensraum gefunden hat», sagt Daniel Zopfi, Fachspezialist Jagd und Fischerei Basel-Landschaft vom Amt für Wald beider Basel. Dieser Meinung schliesst sich Annegret Schaub an, die Präsidentin der Fipal ist.
Dezidiert anderer Meinung ist Walter Schilling, langjähriger Fischer. Für ihn ist klar, dass mehrere hundert Querder gestorben sind. Man hätte zumindest versuchen müssen, die kleinen Tierchen auszugraben und vorsichtig umzusiedeln. Denn das Bachneunauge ist geschützt.
Wer hat recht? Können Tiere, die von Natur aus ihre ganze Entwicklung in der gleichen Schlammröhre verbringen, ohne Hilfe einen neuen Lebensraum finden? Wäre eine gezielte Umsiedlung die Rettung oder eine Verschlimmbesserung? Wir wissen es nicht. Das Wochenblatt hat vergeblich versucht, eine neutrale Expertin zu finden. Über die Lebensweise und die Ansprüche der Bachneunaugen ist in der Wissenschaft nur wenig bekannt.
Die Fipal habe ihr Möglichstes gemacht, die Absenkung der Flusssohle eng begleitet und zusammen mit dem Kanton sichergestellt, dass der Streckenabschnitt nie trocken fiel, sagt Schaub. Schliesslich sei es aber die Aufgabe des Kantons, die Bachneunaugen und die anderen Flusslebewesen zu schützen.
Als Ersatz- und Ausgleichsmassnahme habe der Kanton Gewässerstrukturierungen wie zum Beispiel Buhnen (Ufervorbauten), Faschinen (Rutenbündel), Störsteine und Baumstrünke vorgesehen, erklärt Fiona Schär, Pressesprecherin der Bau- und Umweltschutzdirektion. Dafür sind 75000 Franken vorgesehen. «Hinzu kommen rund 30000 Franken für den Wiederaufbau der Fischfauna.»
Für Schilling bleibt es dennoch unverständlich, dass der Kanton nicht mehr auf die Erhaltung der seltenen und geschützten Bachneunaugen Rücksicht genommen hat.