«Pastoralräume werden keine zehn Jahre halten»

Seit einem Jahr ist Andreas Gschwind ­Pastoralraumpfarrer im ­Pastoralraum Thierstein. Zu diesem gehören die ­Pfarreien Breitenbach-­Fehren, Büsserach, Erschwil, Beinwil, Grindel und Bärschwil. Bis Ende ­Januar soll der ­Pastoralraum offiziell als ­Pastoralraum B erstellt sein. Von diesen Strukturen ist Gschwind nicht begeistert.

Will kein Giesskannenpfarrer sein: Andreas Gschwind hat die Aufgabe, aus sieben Kirchen einen Pastoralraum zu formieren. Wieso er diese Form schlecht findet, erklärt er in seinem soeben erschienen Buch.
Will kein Giesskannenpfarrer sein: Andreas Gschwind hat die Aufgabe, aus sieben Kirchen einen Pastoralraum zu formieren. Wieso er diese Form schlecht findet, erklärt er in seinem soeben erschienen Buch.

Wegen mangelnden Personals und Rückgangs der Gläubigen werden Pfarreien zu Pastoralräumen zusammengeführt. Andreas Gschwind hat die Aufgabe, die Kirchgemeinden Breitenbach-Fehren-Schindelboden, Erschwil, Beinwil, Grindel und Bärschwil bis Ende Januar zu einem Pastoralraum zusammenzuführen. Als Pastoralraumpfarrer ist er zusammen mit der Pfarreiseelsorgerin Carmen Stark und Kaplan Gregory Polishetti für die sechs Gemeinden mit den sieben Kirchen zuständig.

Gschwind ist nicht generell gegen die Schaffung von Pastoralräumen, aber die Art und Weise, wie das geschehen soll, ist für ihn sehr unbefriedigend. «Als Pastoralraumpfarrer geht es nur noch darum, die Gottesdienste aufrechtzuerhalten und die Sakramente zu erteilen. Der Bezug zu den Menschen fehlt. Die Kirche, wie ich sie momentan erlebe, ist ein Auslaufmodell.» Manchmal hält er gleichentags drei Messen in drei verschiedenen Gemeinden vor jeweils fünf bis zehn Personen. Familien seien in den Gottesdiensten gar nicht mehr anwesend. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, was auch kleine Kirchgemeinden in eine finanziell schwierige Lage bringen kann. Es gibt Kirchgemeinden, die in wenigen Jahren das Budget des Pastoralraums nicht mehr einhalten können und tiefrote Zahlen schreiben werden. Es brauche einen Strukturwandel, eine Erneuerung aus dem Glauben, ausgehend von den Laien, ist der 59-Jährige überzeugt.

Gegen eine Kleriker- und für eine Laienkirche

«Auch wenn die Dörfer nicht weit auseinanderliegen, herrscht die Mentalität vor, dass man nicht ins Nachbardorf in den Gottesdienst geht», stellt Gschwind fest. Mit den Pastoralräumen werden die alten Strukturen nur überdeckt, ändern würde sich nichts.

Er plädiert für eine Abkehr von der flächendeckenden versorgenden Klerikerkirche hin zu einer Laienkirche. Für eine Kirche, in der die Menschen nicht einfach einen Service erhalten, sondern in der sich kleine Gruppen zusammentun, Eigeninitiative ergreifen, zum Beispiel in Gruppierungen der Diakonie oder des Gebets, ähnlich den Strukturen der Freikirche. Dabei würden Seelsorgerteams die Gruppen unterstützen. «Eine Kirche, in der die Laien nicht gefördert, befähigt und ermutigt werden zu selbstständigem Einsatz, stirbt unweigerlich. Bischöfe, die abgehoben, privilegiert und weit weg von der Bevölkerung leben, fördern keine Kirche nach dem Evangelium Jesu», so der Pfarrer. Doch die Kirche sei ängstlich, deshalb entstehen keine ­Reformen.

Frust im Buch niedergeschrieben

Gschwind hat seinen Frust im Buch «Als Giesskannenpfarrer unterwegs», das vor ein paar Wochen erschienen ist, niedergeschrieben. Er erzählt darin von seiner Mühe mit den Strukturen der katholischen Kirche. Er erzählt, wie er fast in eine Depression verfiel, einen neuen beruflichen Weg suchte, arbeitslos war und den Neuanfang in Breitenbach wagt. Er lobt die Zusammenarbeit mit dem Seelsorgeteam im Thierstein. «Ich spüre, dass ich wieder Fuss fassen könnte. Es wird sich aber zeigen, ob ich für diese Stelle eine langfristige Perspektive aufbauen kann. Wohl nicht, wenn sich herausstellt, dass die volkskirchlichen Strukturen mit ihrer Versorgungsmentalität immer noch das Wichtigste sind.»

Gemeindebildung vor Ort

In seinem Buch bringt er Vorschläge, neben Vorschlägen spiritueller Art, wie ein Pastoralraum in Zukunft konkret aussehen könnte: «Zuerst müssen wir Menschen finden, die sich in Equipen einbringen möchten.» Das kirchliche Leben vor Ort könnte von diesen Equipen gestaltet werden, zum Beispiel in den Bereichen Liturgie, Caritas, Diakonie, Jugendarbeit oder in Anlässen für das Bilden von Gemeinschaftserlebnissen. Das Seelsorgeteam im Pastoralraum würde diese Equipen begleiten und unterstützt und in engem Kontakt mit ihnen stehen. «Es geht um Gemeindebildung vor Ort mit den Menschen, die dort leben», so Gschwind.

Buch: Andreas Gschwind: Als Giesskannenpfarrer unterwegs. Unflexible Strukturen in Pastoralräumen – auf Spurensuche für eine wachstumsfähige Kirche. rex-verlag.ch oder direkter Bezug beim Autor mit einer Widmung: Andreas Gschwind, Amselstrasse 6a, 4106 Therwil. Mail: and-veloce@bluewin.ch