«Das ist alles so wertvoll»
Konrad Pflugi: Bäcker, Kustos des Dorfmuseums «Arch», Sigrist, Ministrant und Lektor in Mariastein. Betritt man sein Lädeli in Himmelried, so wird einem schnell klar, dass die Passion fürs Historische durchschimmert.
Im Laden von Konrad Pflugi gibt es viel zu entdecken: ein uraltes, noch funktionierendes schwarzes Telefon, ein Foto von ausgewanderten Himmelriedern in Amerika und, prominent bei der Kasse aufgestellt, das mit Muscheln gerahmte Bild seines an der spanischen Grippe verstorbenen Verwandten Arnold Thomann mit Jahrgang 1890. Der Name «Arch» stamme aus dem Lateinischen und bedeute «Haus an der Krümmung», beginnt Pflugi mit seinen Ausführungen im Museum, einem Haus aus dem 17. Jahrhundert. Und an jedem Gedächtnisort hat es Highlights:
Alter Gemeindeplan
In einer Vitrine weckt ein Gemeindeplan aus dem Jahre 1757 das Interesse. Ein Lehrer liess die Schüler den nicht mehr auffindbaren, echten Plan einfach abzeichnen und so ist dieser für die Nachwelt erhalten geblieben. Damals hatte das Dorf etwas mehr als ein Dutzend Häuser und das Haus an der Krümmung ist ebenfalls sofort erkennbar.
Gewehr für Wilderer
In der Nordwestschweiz gebraucht man anstelle des Wortes «Wilderer» nicht selten die etwas veränderte französische Variante «Pragineure» (braconniers). Das Museum besitzt eine alte Pragineurflinte, die man auseinandernehmen kann: Kolben, Verschluss und Lauf konnte man im Rucksack gut verstecken.
Brief an Eltern und Geschwister
Pflugi zeigt dem Schreibenden einen Brief des Amerikaauswanderers Simon Vögtlin, adressiert an die Eltern und Geschwister. Im Himmelrieder Heimatbuch erfährt man über die Gründe der Massenauswanderung, vor allem in den Fünfzigern des vorletzten Jahrhunderts, mehr: «Die Kantonsregierung nannte in ihrem Rechenschaftsbericht als Ursachen für die Auswanderung nach Amerika an erster Stelle Missernten, Teuerung der Lebensmittel und eine allgemeine Not, an zweiter Stelle die intensiven Werbeaktivitäten der sogenannten Auswanderungsagenten und erst zuletzt die für die Gemeinde und die Privaten lästigen Armenverhältnisse.»
«S Eier-Marie»
Beim Blättern der bereits erwähnten Dorfchronik fällt das gelungene Fotosujet einer Frau mit dem Korb auf dem Kopf auf. Die Legende lautet: «S Eier-Marie — auf seinem Verkaufsgang von Beinwil nach Grellingen — hatte auch in Himmelried seine treue Kundschaft.» Konrad Pflugi zeigt im Museum ein Polsterstück zum Tragen von Lasten auf dem Kopf. In Himmelried und Umgebung habe man früher die schmackhaften Beeren gesammelt und zum Verkauf nach Basel per pedes gebracht.
Das dicke Buch
Konrad Pflugi zeigt viel Herzblut für «sein» Museum. Am Ende eines Besuchs bittet er die Gäste darum, einen Vers mit Tinte ins dicke Buch zu schreiben. Ein paar Tage vor meinem Besuch lese ich aus der Feder einer Rumänin: «Das alles ist so wertvoll — zeigt eine Welt, was nie wieder kommt. Gott segne Sie mit Kraft und Gesundheit.»
Museumsbesuch nach Vereinbarung: 061 741 11 18Weiterführende Literatur: «Himmelried (Kanton Solothurn) Heimatkundliche Beiträge zur 700-Jahr-Feier 1988», Vereinigung «Pro Himmelried». Linard Candreia, Autor und Landrat, schreibt Geschichten fürs Wochenblatt.