«Chance, sich von den Fesseln der Kelsag zu lösen»
Das Schiedsgericht hat der Gemeinde Duggingen im Streit mit den Verantwortlichen der Kelsag Recht gegeben. Duggingen darf selber entscheiden, welches Unternehmen den Müll einsammelt. Im Gespräch mit dem Wochenblatt erklären Duggingens Gemeindeverwalter Christian Friedli und Ressortchef Peter Tschudin, warum man gemeinsam mit den anderen Gemeinden die Rahmenbedingungen der regionalen Abfallentsorgung neu definieren sollte.

Was hatte Duggingen dazu bewogen, die Abfallentsorgung losgelöst von der Kelsag zu regeln?
Christian Friedli: Es war ein längerer Prozess, der vor Jahren seinen Lauf genommen hatte. Der Gemeinderat von Duggingen hatte auf Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der neuen Biogasanlage der Kelsag AG aufmerksam gemacht. Bei einer solchen Zweckerweiterung wäre eigentlich eine Änderung der Statuten oder des Aktionärsbindungsvertrags notwendig, was aber für den Verwaltungsrat unter der Leitung von Germann Wiggli nach unserem Wissen bisher nie ein Thema war. Die Dugginger Delegation ärgerte sich über die Quersubventionierung der Biogasanlage durch die Abfallgebühren, war aber an den Generalversammlungen mit ihrer Kritik auf sich allein gestellt. Der Verwaltungsrat konnte auf das Vertrauen der meisten Aktionärsgemeinden zählen.
Peter Tschudin: Beim Nachhaken konnten unsere Bedenken vom Verwaltungsrat nicht ausgeräumt werden, sondern es verstärkte sich der Eindruck der fehlenden Transparenz. Fraglich war, warum das alte Konstrukt Kelsag unangetastet bleiben sollte, trotz absehbarem Ende der Deponien in Liesberg. Unklar war auch, warum das Einsammeln des Abfalls als Verbundlösung die Gemeinden nicht günstiger zu stehen kommt als ein Alleingang und teurer ist als in anderen Abfallregionen. Die Statuten der Aktiengesellschaft Kelsag sind wie ein Knebelvertrag für die Gemeinden. Über die Jahre hinweg wurde die Kelsag zu einem Apparat, der die Gemeinden führt, anstatt dass er ihnen zudient.
Christian Friedli: Duggingen hatte bereits vor Jahren den Austritt geprüft, stellte aber im Rechtsgutachten fest, dass man dem Aktionärsbindungsvertrag kaum entrinnen kann. Das Unbehagen wurde nicht kleiner. Deswegen weigerte sich Duggingen, die 2008 von der Kelsag zugestellten Abnahmeverträge zu unterzeichnen. Als sich später Duggingen beim Geschäftsführer bei der Kelsag beschwerte, dass der Verwaltungsrat die Sperrgut-Sammlung – und erst noch mitten im Jahr – einstellen liess, witterte Duggingen eine Chance, sich von den Fesseln der Kelsag zu lösen. Vom Kelsag-Geschäftsführer bekamen wir nämlich zu hören, dass wir keine Ansprüche stellen könnten, da wir die jeweiligen Verträge nicht unterzeichnet hatten. In der Konsequenz teilte der Dugginger Gemeinderat dem Verwaltungsrat der Kelsag mit, dass er ab 2016 auf alle Dienstleistungen der Kelsag verzichten und selber eine Unternehmung mit dem Einsammeln des Mülls beauftragen wird.
Warum kam es in der Folge zu einem Verfahren vor dem Schiedsgericht und nicht zu einer einvernehmlichen Lösung?
Christian Friedli: Der Verwaltungsrat beharrte auf seinem Standpunkt, dass sich Duggingen beugen soll. Die Kelsag versuchte über das Amt für Umwelt und über das interkantonale Abkommen zu erreichen, dass die KVA Basel den Müll aus Duggingen nicht annimmt. Wir fanden aber eine indirekte Anlieferungsmöglichkeit, die den übergeordneten Bestimmungen nicht widerspricht, wie sich nun auch im Gerichtsverfahren bestätigte. Der Dugginger Gemeinderat wollte den Steuerzahlern nicht weiter zumuten, nur der Kelsag zuliebe höhere Abfallgebühren zahlen zu müssen. Mit der auf die Gemeinde zugeschnittenen Lösung konnten die Gebühren nämlich von Fr. 2.20 auf Fr. 2.– und dann auf Fr. 1.60 gesenkt werden. Die Kelsag hat inzwischen zwar ihre Gebühren auch auf Fr. 1.70 gesenkt, doch nur dank den Rückvergütungen der KVA. Sind diese aufgebraucht, wird die Kelsag ihre Gebühren wohl wieder erhöhen. Dem Verwaltungsrat war es offensichtlich gelungen, den Gemeinderat von Büsserach für seine Dienste einzuspannen. Denn weil nur Aktionäre und eben nicht der Verwaltungsrat klageberechtigt sind, trat Büsserach als Klägerin gegen Duggingen auf. Mit dem Resultat, dass Büsserach nun auch die Kosten zu tragen hat. Die Anwalts- und Gerichtskosten belaufen sich auf knapp 40000 Franken. Das müssen wohl die Steuerzahler von Büsserach berappen, denn an der Generalversammlung der Kelsag war nie zur Sprache gekommen, dass sich die Kelsag oder die anderen Aktionärsgemeinden an diesen Kosten beteiligen.
Peter Tschudin: Das ist eine bizarre Situation, wir haben nämlich überhaupt keine Differenzen mit Büsserach. Unsere Kritik hatte sich gegen den Verwaltungsrat der Kelsag gerichtet unter der Leitung von Germann Wiggli, alt Gemeindepräsident von Seewen.
Doch im Verwaltungsrat der Kelsag sitzt auch der Gemeindepräsident von Büsserach. Das Schiedsgericht hat nun entschieden, dass Duggingen zwar Mitglied der Kelsag ist, aber selbst bestimmen darf, welches Unternehmen den Müll einsammelt. Was bedeutet dies für die Zukunft der Kelsag?
Christian Friedli: Wir hatten uns während des Verfahrens an das vereinbarte Stillschweigen gehalten. Jetzt haben wir alle Gemeinden der Kelsag über die geklärten Streitpunkte informiert und auch bereits einzelne Rückmeldungen erhalten, wonach man uns dazu gratuliert, dass wir im Kampf um die Gemeindeautonomie nicht eingeknickt sind.
Peter Tschudin: Wir hoffen für die Kelsag, dass nun eine neue Auslegeordnung gemacht wird, die Gelegenheit beim Schopf gepackt und visionäre Lösungen zu den absehbaren Problemen im Bereich Abfall erarbeitet werden.