«Wir sind eine grosse Familie»

Der Laufentaler Turn­verband LTV durfte letztes Wochenende seinen 100. Geburtstag feiern. An der Jubiläums-­Delegiertenversammlung im Seemättli in Liesberg nahmen rund 220 Turnerinnen und Turner teil. An der DV wechselte auch das Präsidium des LTVs.

Generationenwechsel: Elsbeth Richterich hat ihr Amt als Präsidentin des Laufentaler Turnverbands nach zwölf Jahren abgegeben, Yves Gygi übernimmt. Foto: Melanie Brêchet
Generationenwechsel: Elsbeth Richterich hat ihr Amt als Präsidentin des Laufentaler Turnverbands nach zwölf Jahren abgegeben, Yves Gygi übernimmt. Foto: Melanie Brêchet

Zwölf Jahre lang stand Elsbeth Richterich vom TV Laufen dem Laufentaler Turnverband vor. Nun hat sie ihr Amt anlässlich der DV vom letzten Samstag an ihren Nachfolger, den 31-jährigen Yves Gygi vom TV Liesberg, übergeben. Dieser amtete bereits seit einem Jahr als Vizepräsident des ­Verbands.

Wochenblatt: Elsbeth Richterich, Sie sind dem LTV ganze zwölf Jahre lang vorgestanden. Was hat Sie dazu veranlasst, Ihr Amt jetzt abzugeben?

Elsbeth Richterich: Nun gut, so langsam bin ich im Alter dafür (lacht). Schon vor zwei, drei Jahren hatte ich das Gefühl, dass die Zeit zum Aufhören gekommen ist. Da ich aber bereits in die Planung des Kantonalturnfests involviert war und auch das 100-Jahr-Jubiläum vor der Tür stand, entschloss ich mich, noch etwas weiterzumachen. Immerhin konnte dieses Jubiläum stattfinden, was ja beim Kantonalturnfest leider nicht geklappt hat. Dem Turnverein bleibe ich aber als Aktiv- und Ehrenmitglied treu.

Yves Gygy, was hat Sie dazu bewogen, das Amt von Elsbeth Richterich zu übernehmen?

Yves Gygi: Für mich war von Anfang an klar, dass ich das machen möchte. Der LTV hat einen tollen Vorstand und die Zusammenarbeit mit den Vereinen ist hervorragend. Ich freue mich auch darauf, etwas zu bewirken. So möchte ich versuchen, auch die kleinen Vereine wieder vermehrt in die Organisation von Anlässen einzubinden und den Turnsport für Publikum wieder attraktiver, also verständlicher zu machen. Das ­Regelwerk bei einigen Disziplinen ist nicht einfach.

Was hat sich in den vergangenen Jahren im Verband besonders verändert?

Elsbeth Richterich: Die grösste Veränderung ist, dass Männer und Frauen ­gemischt turnen. Das war früher nicht so, da gab es noch eine Damen- und eine Aktivriege Männer. Von zehn Laufentaler Turnvereinen sind mittlerweile acht gemischte Vereine. Nur Brislach hat noch einen Damenturnverein und einen Turnverein, Männer und Frauen turnen da also getrennt. Eine weitere grosse Veränderung hat in den schätzbaren Disziplinen stattgefunden. Wo früher mit dem Tambourin der Takt geklopft wurde, erklingt heute moderne Musik aus den Lautsprechern. Man turnt auch nicht mehr zwingend im Turnertenue, sondern stellt etwas dar. Es ist viel mehr Show als früher und die Turnerinnen und Turner sind entsprechend angezogen.

Yves Gygi: Bei den schätzbaren Disziplinen ist der Wandel in Richtung moderne Akrobatik gegangen. Es ist alles bunter und lebendiger geworden. Es gibt auch immer mehr Disziplinen, die an Turnfesten ausgetragen werden, was an die Austragungsorte und Plätze entsprechende Anforderungen stellt.

Elsbeth Richterich: Die benötigte Fläche finden wir im Laufental fast nur noch in Zwingen vor. Dank Kooperationen mit dem Thierstein bieten sich aber hoffentlich bald weitere zahlbare Lösungen an.

Yves Gygi: Für kleinere Vereine ist es fast nicht mehr möglich, allein ein Turnfest durchzuführen. Wir haben darum vor ein paar Jahren damit begonnen, dass jeweils zwei Vereine zusammen ein Turnfest organisieren.

Welchen Stellenwert hat das Turnen im Laufental aus Ihrer Sicht?

Yves Gygi: Einen sehr hohen! Es gibt sehr viele Vereine von teilweise beachtlicher Grösse, praktisch in jedem Dorf. Diese Vereine werden auch sehr gut geführt, es funktioniert alles gut und die Turn­vereine haben einen hohen Stellenwert. Im Vergleich mit anderen Bezirken sind wir sehr stark aufgebaut.

Elsbeth Richterich: Der Kanton Baselland hatte ursprünglich fünf Bezirksturnverbände. Arlesheim und Liestal haben sich aber aufgelöst.

Yves Gygi: Turnvereine habe nicht nur in sportlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht einen hohen Stellenwert. Gerade in einer Jugendriege sind die Schwellen zum Mitmachen tief. Die Kinder und Jugendlichen brauchen weder spezielle Talente, noch müssen sie eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Es geht einfach nur ums Mitmachen, Bewegung und Sport. Die Kinder werden auch gut aufgenommen, das sehe ich auch bei uns in Liesberg: Die Kinder finden über den Sport schnell einen Draht zueinander, auch wenn sie frisch zugezogen sind oder noch nicht so gut Deutsch können.

Wie steht es um den Nachwuchs in den Turnvereinen?

Yves Gygi: Bei den Jugendlichen haben wir keine Probleme, das hat sich auch nach dem Lockdown nicht verändert, es wurden sogar eher mehr. Probleme bereitet aber der Übergang von der Jugi zu den Aktiven. Die Jugendlichen zwischen 16 und 20 gehen in eine Lehre oder in eine weiterführende Schule und die Interessen wandeln sich. Da haben sie je nachdem keine Lust mehr auf Verpflichtungen und fixe Trainingstermine. In ein Fitnesscenter können sie gehen, wann sie wollen.

In einem Verein ist auch immer Mithilfe gefragt, zum Beispiel für Anlässe, also weitere Pflichttermine. Schaffen die Jugendlichen jedoch diesen Sprung zu den Aktiven, bleiben sie meistens bis ins hohe Alter.

War das schon früher so oder ist das ein neues Phänomen?

Elsbeth Richterich: Das ist eher neu. Das grosse Freizeitangebot heutzutage spielt sicher eine Rolle.

Yves Gygi: Es ist eine eher ungünstige Entwicklung zu beobachten. Die ­Disziplin und die Belastbarkeit nehmen bei den Jugendlichen stark ab. Hier sind aber auch die Vereine gefordert: Sie müssen den jungen Leuten klarmachen, dass es nicht nur um den Sport geht, sondern auch um soziales Engagement, das Turnvereine gerade in den Dörfern immer noch sehr stark wahrnehmen. Es geht also viel mehr auch um gute, reale Kontakte, die nicht auf Social Media stattfinden und um Zusammenhalt. Das konnten wir auch an der vergangenen DV beobachten: Viele junge Mitglieder, die schon seit Jahren dabei sind, waren da und haben sich dort wieder getroffen. Es ist wie eine Familie, die bleibt — eine ­richtige Turnerfamilie.

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