Der Zahnarzt als musikalisches Multitalent
Bevor das 50. Jubiläumsjahr zu Ende geht, soll Alfons Eschle als letzter Gründer des Orchesters Laufental-Thierstein zu Wort kommen.
Zwei besondere Konzertanlässe im Mai und im November hoben dieses Jahr das Gründungsjahr 1973 des Orchesters Laufental-Thierstein hervor. Der 50. Geburtstag dieser Erfolgsgeschichte wurde gebührend gefeiert und fand auch im Wochenblatt Beachtung. Die beiden Gründer August Imhof und Gert Hesse sind vor nicht allzu langer Zeit verstorben. Paul Schumacher, Metzger in Laufen, war ein Freund von Emil Richterich, der die Gründung vorantrieb. Alfons Eschle, ehemaliger Zahnarzt und viertes Gründungsmitglied des Orchesters, freute sich vergangene Woche über den Besuch des Wochenblatts. Der bald 90-Jährige gab gerne Auskunft über die Geschichte der Gründung, seine besonderen Erlebnisse mit der Musik und wie er sein absolutes Musikgehör feststellte.
Wochenblatt: Herr Eschle, wie kam es zur Gründung des Orchesters Laufental-Thierstein?
Alfons Eschle: Zwei wichtige Personen im ganzen Umfeld waren der Dornacher Alois Gschwind und Emil Richterich. Gschwind leitete damals das Orchester Dornach und der «Nichtmusiker» Richterich als Kunst- und Kulturfreund regte an, auch in Laufen so etwas auf die Beine zu stellen. So kam ein erstes Zusammentreffen mit Emil Richterich und den späteren Gründungsmitgliedern zustande. Der eigentliche Gründungsakt geschah am 21. August 1973.
Aber mit vier Instrumentalisten kann man noch nicht von einem Orchester sprechen.
Wir fanden bald schon weitere Streicher, die sich uns anschlossen, zum Beispiel aus dem bereits bestehenden Quintett. Alois Gschwind übernahm zum Start den Dirigentenstab, Emil Richterich das Finanzielle für das erste Jahr und zusammen mit dem Orchester Dornach gestalteten wir im Sommer 1974 das erste Konzert im Areal der Sekundarschule Laufen.
Sie spielten in diesem Streichorchester Geige?
Ja, und ich übernahm auch das Amt des ersten Präsidenten. Da mich die Musik noch nicht ganz ausfüllte, schloss ich mich etwa 15 Jahre später auch dem Salonorchester «Da Capo» in Riehen an, mit wöchentlichen Auftritten in Altersheimen und anderen Institutionen. Da durfte ich auch gleich die Leitung übernehmen.
Spielen Sie denn noch andere Instrumente?
Musik war mir immer sehr wichtig. Schon mit acht Jahren durfte ich Geigenunterricht nehmen. Und nebst den gängigen Instrumenten reizten mich immer die aussergewöhnlichen. Zum Beispiel die Panflöte, die singende Säge oder das Theremin, ein im Jahre 1919 von einem Russen erfundenes elektronisches Instrument, das ohne Berührung gespielt wird.
Hatten Sie denn schon öffentliche Auftritte mit diesen exklusiven Instrumenten?
Als ich einmal mit dem Dirigenten des Neuen Orchesters Basel in Kontakt kam, engagierte er mich für ein Konzert mit allen drei Instrumenten. Auf dem Theremin musste ich «Die Königin der Nacht» aus Mozarts «Zauberflöte» spielen, was eigentlich höchstens als humoristische Variante möglich ist, weil man — wie mit der Säge — nur fliessende Tonübergänge spielen kann. Für die Oper «Die Nase» von Schostakowitsch brauchte das Basler Theater meine Singende Säge.
Haben Sie denn das absolute Musikgehör?
Ja, tatsächlich. Das stellte ich zusammen mit meinem Vater, der im Entlebuch Landarzt war, auf den Fahrten zu Patienten fest. An einer bestimmten Stelle gaben die Bremsen an unserem Jeep immer denselben Ton von sich. «Was ist das für ein Ton?», fragte mein Vater spasseshalber einmal. «Ein Es», antwortete ich selbstsicher. «Woher willst du das denn wissen?», fügte er an. «Von meinem Geigenspiel», erklärte ich. Wir prüften es zu Hause nach, und es stimmte.
Lehrer für Singende Säge
In der Oper «Die Nase» von Dmitri Schostakowitsch wird eine Singende Säge gebraucht. Im Zusammenhang mit einer Aufführung in München erschien am 5. November 2021 in der Süddeutschen Zeitung ein Bericht über die Musikerin und Pianistin Katharina Micada, die das aussergewöhnliche Instrument spielt. Sie hat es im Jahre 2001 von Alfons Eschle gelernt. In der genannten Reportage wurde er wie folgt erwähnt: «Mehr als 20 Jahre spielt Micada das Instrument nun schon, ein renommierter Sägist aus Basel – im wirklichen Leben Zahnarzt – hat es ihr beigebracht.»
Katharina Micada gilt als Vizeweltmeisterin auf der Singenden Säge und springt überall dort ein, wo eine solche gebraucht wird.