Vom Samen bis zur Ernte
Wie kann man eigenes Saatgut vermehren und die Sortenvielfalt fördern? Nicole Egloff, Expertin von Pro Specie Rara, kennt die Antworten.
Die Tomate aus dem eigenen Garten schmeckt häufig besser als jene aus dem Grosshandel. Was es braucht, um einen einzigartigen Obst- und Gemüsegarten aufzuziehen, konnten Interessierte am vergangenen Donnerstag in der Gemeindebibliothek Reinach erfahren: Eine Expertin von Pro Specie Rara, einer vor 40 Jahren gegründeten Stiftung zur Erhaltung und Förderung der genetischen Vielfalt in Fauna und Flora, zeigte in einem Workshop auf, wie sich eigenes Saatgut vermehren lässt. Zwar bringt die Gartenarbeit etwas mehr Aufwand mit sich als Setzlinge oder auch gleich die fixfertige Tomate im Laden zu kaufen. Sie hat aber viele Vorteile, wie Nicole Egloff, Medienverantwortliche von Pro Specie Rara, erklärte: «Von der einmal gefundenen guten Tomate muss nicht jedes Jahr von neuem Saatgut gesucht werden, die Sorten passen sich über die Jahre bestens an die Bedingungen im eigenen Garten an und man gewinnt ein Stück weit Unabhängigkeit von den grossen Saatgutmultis.»
Für eine nachhaltige Sortenerhaltung sei jedoch einiges an Wissen nötig, erklärt Egloff, weshalb sich ihre Samenbaukurse grosser Beliebtheit erfreuen. Rund zwanzig Interessierte waren zum Saatgutworkshop gekommen, wo es neben einer theoretischen Einführung auch ganz konkrete Anleitungen zur Vermehrung von Erbsen, Salaten, Tomaten oder Bohnen gab: «Diese vier Arten eignen sich besonders gut für den Einstieg in den Samenbau, weil sie selbstbefruchtend sind.»
Fast 200 Tomatensorten
Für Pro Specie Rara geht es in erster Linie um die Förderung der Sortenvielfalt, denn es sind gerade mal drei grosse Konzerne, die mehr als die Hälfte des weltweiten Saatgutmarktes beherrschen und somit «bestimmen, was wir essen. Die Gemüseregale im Lebensmittelläden vermitteln das Gefühl einer grossen Bandbreite, doch der Schein trügt. Die Sortenvielfalt ist stark eingeschränkt», sagt Egloff gegenüber dem «Wochenblatt». Dabei gäbe es eigentlich unzählige Sorten, wie etwa – am Beispiel der Tomate gezeigt – die Baselbieter Röteli, die Gelbe Thun oder die Amish Pasta. Unter anderem sind 1580 Garten- und Ackerpflanzensorten – darunter 191 Tomaten und 114 Kartoffeln – und 2200 Obstsorten – darunter 790 Äpfel und 228 Pflaumen – in der Obhut der Stiftung Pro Specie Rara. «Je mehr Sorten es gibt, desto grösser ist der vorhandene Genpool, auf den für Neuzüchtungen zurückgegriffen werden kann», erklärt die Workshopleiterin. Die Pflanzenwelt könne sich so etwa klimatischen Veränderungen besser anpassen. «Die Arten- und Sortenvielfalt bedeutet also auch für die Menschen Nahrungssicherheit.»
Selber Sorten betreuen
Um die Vielfalt am Leben zu erhalten, sucht die Stiftung Sortenbetreuerinnen und Sortenbetreuer. Wer seltenen Sorten im eigenen Garten das Überleben sichern möchte, kann sich bei der Stiftung ein Starter-Kit bestellen: «Dieses beinhaltet zwei einfach zu vermehrende Sorten, von denen auch genügend Saatgut vorhanden ist, so dass bei einem Misserfolg nicht gleich das Überleben der Sorte auf dem Spiel steht», sagt Egloff.
Um die Saatgutvermehrung ist ein kleiner Boom entstanden, der in den USA seinen Anfang nahm und mittlerweile auch in der Schweiz Verbreitung findet: In «Seed Libraries» kann eigenes Saatgut hingebracht und im Gegenzug fremdes Saatgut mitgenommen werden. In einigen Bibliotheken, wie etwa in Buchs oder in Langenthal, ist diese Praxis bereits Realität und wird rege genutzt. In Reinach gibt es dieses Angebot – bisher – noch nicht. Weitere Infos unter