Bewundernswertes Leben
Doris Herrmann ist Autorin, Künstlerin, Känguruforscherin – und sie leidet an einer Hörsehbehinderung. Soeben ist ihr neustes Buch erschienen.
Mehrere Bücher hat Doris Herrmann bis heute geschrieben. Sie stellt regelmässig Kunstwerke aus und kann auf eine Karriere als Känguruforscherin zurückblicken. Ihr Schaffen ist bemerkenswert und gleichzeitig erstaunlich, denn: Die bald 85-Jährige ist seit ihrer Geburt gehörlos und ihr Sehvermögen hat sich im Laufe des Lebens zunehmend verschlechtert. Usher-Syndrom nennt sich die angeborene Hörsehbehinderung. Ihre eigene Stimme nimmt Doris Herrmann einzig über die Vibration in Hals und Brustkorb wahr. Kommunizieren kann mit ihr nur, wer das «Lormen» beherrscht. Bei diesem Hand-Alphabet werden die Buchstaben durch Berührungspunkte und Striche im Handteller dargestellt. Ihr Sehvermögen ist mittlerweile so stark reduziert, dass sie einzig noch Konturen wahrnimmt. Am Computer kann sie dank eines Vergrösserungsprogrammes arbeiten.
«Cartoonistische Liebeserklärung»
Ein Leben abgekapselt von der Aussenwelt, mag man denken. Nicht so bei Doris Herrmann: Im Sommer hat sie ihr achtes Buch, «Plumpi forever!», herausgegeben. Es ist eine «cartoonistische Liebeserklärung an einen besonderen Vater», wie der Untertitel verrät. Plumpi ist das Alter Ego von Siegbert Herrmann, Doris Herrmanns verstorbenem Vater. Der Name Plumpi geht zurück auf ein Jugenderlebnis, als die 16-jährige Doris auf einem Sonntagsspaziergang mit ihren Eltern in ein Restaurant einkehrte. «Neben unserem Tisch standen Glaskäfige mit kleinen, zierlichen Geschöpfen drin», erinnert sie sich. Der Kellner erklärte der Familie, dass es sich um Plumploris handelt, nachtaktive, insektenfressende Halbaffen – dabei machte der Kellner eine ausladende Handbewegung zum Mund, um das Fangen und Verspeisen von Insekten zu demonstrieren. Eine Geste, die von Siegbert Herrmann nachgeahmt wurde, als die Familie im Sommer in ihrem Ferienhaus von Fliegen geplagt wurde. So blitzte bei der jungen Doris der Gedanke auf, ihren Vater in Erinnerung an die Restaurant-Affen Plumpi zu taufen und diese neu geschaffene Figur in Cartoons lebendig zu machen.
Breite Lippen, dicke Augenbrauen
«Plumpis Kopf hat etwas von einem Nilpferd, die Lippen sind breit und über den grossen Augen liegen dicke Augenbrauen, genau wie bei Papa.» Bis zum Tod ihres Vaters 1967 liess Doris Herrmann die Figur am Leben, erst danach erlosch aus Traurigkeit das Interesse, weitere Cartoons zu zeichnen. Erst als im vergangenen Jahr eine Freundin Herrmanns Atelierkeller durchstöberte, kamen die Arbeiten wieder ans Tageslicht. Die Freundin schlug vor, die Cartoons in einem Büchlein zu veröffentlichen: «Es war wie eine Wiederbegegnung mit meinem Vater. Es ist schade, dass er nicht mehr lebt und die Veröffentlichung der Cartoons miterleben darf», so die Künstlerin.
International anerkannte Forschung
Das neuste Buch ist nur die Spitze einer bemerkenswerten Laufbahn, einerseits als Künstlerin, andererseits als Känguruforscherin. Ihre Liebe zu Kängurus hatte sie schon im Kindesalter entwickelt: Wegen ihrer Gehörlosigkeit fühlte sie sich als Kind unter Gleichaltrigen nie ganz zugehörig. Ihre Liebe zu Tieren und insbesondere Kängurus halfen ihr, sich als Person zu entwickeln. «Die Kängurus waren mein Schicksal», so Herrmann. Als ihre Sehkraft noch besser war, reiste sie nach Australien, um Freilandbeobachtung der Kängurus zu betreiben, später veröffentlichte sie etliche wissenschaftliche Arbeiten und wurde sogar von Universitäten anerkannt. Auch heute, in hohem Alter, ist Doris Herrmann noch kein bisschen müde – erst neulich konnten im Wohn- und Bürozentrum für Körperbehinderte (WBZ) ihre eindrucksvollen Perlenbilder bewundert werden. Und sie schreibt bereits an einem weiteren Buch. Worum es da genau geht, will sie der Öffentlichkeit noch nicht offenbaren.
Das Buch «Plumpi forever!» ist in der Buchhandlung Nische in Arlesheim und in Die Buchhandlung in Reinach für Fr. 28.– zu erwerben.