Kunst in der Knochenklinik

Unter dem Label «Kunst im Birshof» finden in der Münchensteiner Privatklinik seit jeh Ausstellungen statt. Eine Grenzüberschreitung, die sich lohnt.

Blutiges «Palmyra»: Patrick Lützelschwab setzt sich in seinem Werk auch mit der Zeitgeschichte auseinander.  Fotos: ZVG

Blutiges «Palmyra»: Patrick Lützelschwab setzt sich in seinem Werk auch mit der Zeitgeschichte auseinander. Fotos: ZVG

Aus Raum und Zeit gefallen: «La Promenade» von Nicola Aramu.

Aus Raum und Zeit gefallen: «La Promenade» von Nicola Aramu.

Trompe-l’œil aus Ton: Highheels von Florence Rometsch.

Trompe-l’œil aus Ton: Highheels von Florence Rometsch.

Das chronisch schmerzende Kniegelenk, der akute Bandscheibenvorfall, die anberaumte Stunde bei der Physiotherapeutin. Für gewöhnlich sind es solche Gründe, die einem in die Hirslanden-Klinik Birshof führen. Es ist der menschliche Bewegungsapparat respektive die Behandlung und Betreuung orthopädischer Erkrankungen, was zu den Kernkompetenzen des Privatspitals zählt. Seit 1991 – damals als Praxis-Klinik Birshof gegründet – räumt die Spitalleitung nebst dem Körper auch Geist und Seele grosse Bedeutung ein. Wände und Flure der öffentlich zugänglichen Bereiche im Erdgeschoss und im ersten Stock werden mit hochwertiger Kunst bespielt, was zumindest zur guten Spitalatmosphäre beitragen und – im besten Fall gemäss der einen oder anderen Studie – gar den Heilungsprozess positiv beeinflussen soll.

Kunst als Medizin? Diese Frage soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Vielmehr sei hier gesagt, dass es sich lohnt, die Klinik Birshof für einmal als Ausstellungsraum zu erleben, zwischen Operationssaal und Therapieraum sein Augenmerk auf die Kunst zu werfen – nicht als Patient, sondern als Besucher, eine Grenzüberschreitung quasi. Der Moment ist gerade gut gewählt, sind doch unter dem Titel «Grenzenlos» in diesem Sommer und Herbst drei Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland zu Gast.

Highheels und Seerosenblätter

Die in Basel lebende Künstlerin Florence Rometsch hat sich ganz dem skulpturalen Schaffen verschrieben. In kontemplativer Kleinstarbeit entstehen Werke aus schamottiertem Ton, es sind Formen und Motive, die für gewöhnlich der femininen Lebenswelt zugesprochenen werden. Filigran hochgezogene Figuren mit knackigen Hintern. Eine elegante Damenhandtasche von spitz abweisender Oberfläche, deren Inhalt vor fremden Blicken verborgen bleibt. Und immer wieder extravagante Highheels –  diese zu tragen wäre für jede Frau ein knochenbrecherisches Wagnis. Der zweite Blick auf die vordergründig naturalistisch anmutenden Objekte offenbart eine gehörige Portion Witz und (Selbst-) Ironie, die der Künstlerin Florence Rometsch eigen ist. Wenn Kunst zum Schmunzeln anregen kann, dann ist schon viel gewonnen, gerade im Spital.

Nachdenklicher, poetisch, auf das Gemüt zielend sind die Arbeiten von Nicola Aramu. Der heute in Mulhouse lebende Künstler aus der Lagunenstadt Venedig findet seinen kraftvollen Ausdruck in der Ruhe der Natur. Seine Motive findet er abseits von Moderne und Urbanität in der Abgeschiedenheit eines einsamen Waldes, am Ufer eines abgelegenen Teichs. Unter freiem Himmel malend bringt er den Reichtum eines Seerosenblatts, die Empfindung eines Moments direkt auf den Bildträger. Es ist nicht die grosse Geste, die Aramu etwas bedeutet. Wenn er Fotos aus einer fernen Vergangenheit in seinem Atelier mit seinen malerischen Mitteln neu interpretiert, dringt eine Bescheidenheit vor der Natur, mitunter gar Demut vor Raum und Zeit durch seine Arbeiten.

Verstörende Ästhetik

Schliesslich sind Arbeiten von Patrick Lützelschwab zu sehen. In Weil am Rhein schafft er in einem aufwendigen Prozess real-irreale Welten. Er fotografiert Ausschnitte seiner gesprayten Graffitis und bringt sie mittels Siebdruck auf Leinwand, die er nochmals malerisch bearbeitet, ergänzt, verfremdet. Seine durchkomponierten Bilder entwickeln einen Sog, dem man sich als Betrachter kaum entziehen kann. Sie finden Gefallen dank einnehmender Ästhetik und verstören dennoch – so etwa beim Anblick auf drei westliche Ferienkinder am Strand, die durch einen grossmaschigen Drahtzaun über das Meer blicken. Auf die blutrot eingetauchte syrische Antikenstadt Palmyra.

 Die Ausstellung «Grenzenlos» in der Hirslanden-Klinik Birshof ist wie andere zuvor in Zusammenarbeit mit der Basler Galerie Carzaniga entstanden. Sie dauert noch bis Mitte Oktober und ist Montag bis Freitag von 8 bis 18.30 Uhr zugänglich. Samstag und Sonntag ist die Ausstellung geschlossen.

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