Hiag-CEO: «Wir stehen in direkter Konkurrenz zu anderen Arealen»

Die Arealentwicklerin Hiag will das Industriegebiet im Wydeneck zu einem Wohn- und Gewerbequartier entwickeln. CEO Marco Feusi und Arealentwickler Julius Grewe-Rellmann erzählen im Interview, weshalb Hochhäuser auf dem Areal entstehen, was die Verzögerung beim 15- Minuten-Takt der S3 für die Arealentwicklung bedeutet und ob es eine Birsquerung braucht.

70 Prozent Wohnungen, 30 Prozent Gewerbeflächen: Dieser Mix sei auch eine Herausforderung, sagen die Verantwortlichen der Hiag. Foto: Zvg / Hiag

70 Prozent Wohnungen, 30 Prozent Gewerbeflächen: Dieser Mix sei auch eine Herausforderung, sagen die Verantwortlichen der Hiag. Foto: Zvg / Hiag

Marco Feusi: CEO von Hiag. Foto: zvg

Marco Feusi: CEO von Hiag. Foto: zvg

Arealentwickler: Julius Grewe-Rellmann. 
         
         
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Arealentwickler: Julius Grewe-Rellmann. Foto: zvg

Warum ist das Dornacher Wydeneck für die Hiag ein interessantes Areal?

Marco Feusi, CEO: Das Areal ist ein wichtiger Teil des Portfolios der Hiag. Es ist in Bezug auf seine Grösse und seinen Wert für uns sehr bedeutend. Auch die Lage am Wasser und der Standort mit ÖV-Anbindung sind ideal. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren bereits einiges an Geld und Ressourcen in das Wydeneck investiert, das Areal geöffnet und attraktive Zwischennutzungen ermöglicht. Wichtig ist: Wir verfolgen einen lang­fristigen Entwicklungshorizont über Jahrzehnte.

Wie wichtig ist das Dornacher Areal verglichen mit anderen Projekten der Hiag?

Feusi: Die Hiag hat 40 Areale in ihrem Portfolio und rund 50 laufende Projekte. In diese investieren wir über 100 Millionen Franken pro Jahr, Tendenz steigend. Daneben haben wir ein Bestandsportfolio mit jährlichen Erträgen von rund 75 Millionen Franken; der Gesamtportfoliowert des Unternehmens liegt bei rund zwei Milliarden Franken. Dornach ist neben Biberist flächenmässig eines der grössten Areale in unserem Portfolio.

Die Transformation des Wydenecks wird über Jahrzehnte andauern. Wo werden die ersten Bauarbeiten ­beginnen?

Julius Grewe-Rellmann, Arealentwickler: Zuerst noch ganz grundsätzlich: Das Wydeneck passt als Areal sehr gut zu Hiag. Wir sind spezialisiert darauf, solche Industrieareale über einen langen Zeitraum zu transformieren. Wichtig ist uns, dass dies in enger Abstimmung mit den Behörden und der Bevölkerung geschieht. So wurde 2019 ein Masterplan fürs ­Wydeneck entwickelt, der beispielsweise definiert, welche Gebäude erhalten bleiben sollen. Aus diesem Konzept ergibt sich auch, dass wir ganz im Süden des Areals mit den Bauarbeiten beginnen. Dies bietet sich an, weil dort die ältesten Gebäude stehen, die in schlechtem Zustand sind. Der Bereich liegt überdies in direkter Nachbarschaft zur künftigen S-Bahn-Station Apfelsee. Die nördlichen Arealteile können währenddessen weitergenutzt werden.

Stichwort S-Bahn: In den Unterlagen zum Teilzonenplan wird aufgeführt, dass die geplante S-Bahn-Haltestelle _Apfelsee für das Gelände von grosser Bedeutung ist. Für die Haltestelle sehen die SBB einen Planungshorizont 2030 vor – sie gehen von einer Toleranz von plus/minus ein bis zwei Jahren aus. Die ersten Gebäude auf dem Gelände sollen aber bereits 2029 fertig sein. Es ist also möglich, dass die ersten Anwohner noch bis zu drei Jahre ohne Bahnanschluss bleiben. Was bedeutet das für die Arealentwicklung?

Grewe-Rellmann: Wir stehen in einem sehr engen Austausch mit den SBB. Das ergibt sich schon nur aus den räumlichen Verflechtungen. Die SBB brauchen für die Haltestelle auch Land von uns. Wir machen uns stark dafür, dass diese Haltestelle – wie bisher kommuniziert – 2030 umgesetzt ist.

Feusi: Die SBB sind in der Vorprojektphase weit fortgeschritten. Ursprünglich war die Realisierung für 2026/27 geplant, jetzt hat es Verzögerungen gegeben. Bei komplexen Projekten gehört das dazu. Wenn es allerdings noch länger ginge, würde es keinen Sinn machen, die erste Bauetappe schon vorher abzuschliessen und die Bewohner einziehen zu lassen. Daher würden wir unsere Pläne auch anpassen.

Das Wochenblatt berichtete kürzlich, dass sich die Umsetzung des Viertelstundentaktes der S3 um sieben Jahre auf nach 2035 verschiebt. Was bedeutet diese starke Verzögerung für die Entwicklung des Areals?

Grewe-Rellmann: Es ist bedauerlich, dass sich der 15-Minuten-Takt so lange verzögert. Wir hoffen, dass es bald Verlässlichkeit bezüglich der Umsetzung gibt. Grundsätzlich ist für uns die Haltestelle Apfelsee wichtiger als der 15-Minuten-Takt.

Kommen wir zum Verkehrsstreitthema Nummer eins der Region: die Birsquerung. Sie soll Dornach und Aesch an die A18 anschliessen. Kantone und Gemeinden einigten sich darauf, für Variante Süd eine Machbarkeitsstudie auszuarbeiten. Wie stehen Sie zu dieser Variante?

Feusi: Wir haben sowohl mit Variante Mitte als auch mit Variante Süd geplant. Allerdings finden wir Variante Mitte aus ökologischer und städtebaulicher Sicht nicht ideal: Die Zerschneidung des Birsraums macht aus heutiger Sicht keinen Sinn. Deshalb befürworten wir den Prozess der Kantone und Gemeinden sehr und unterstützen die Variante Süd. Dies haben wir im September einmal mehr in einem Schreiben an die Gemeinde Dornach bekräftigt.

Und wenn gar kein Zubringer entsteht?

Grewe-Rellmann: Wir haben immer auch berücksichtigt, dass es keine Birsquerung geben könnte – dies könnte eintreten, wenn die Variante Süd scheitert. Die Strassenanbindung ist vor allem für die Standortattraktivität für Gewerbenutzungen wichtig. Die Gemeinde sieht im Wydeneck einen Gewerbeanteil von 30 Prozent vor. Unsere Analysen zeigen mit Birsquerung ein Potenzial von etwa 25 Prozent, ohne Birsquerung sind es nur 10 bis 15 Prozent Gewerbeanteil. Die Ansiedlung von ­attraktivem Gewerbe wird also in jedem Fall eine Herausforderung.

Feusi: Die Ziele der Gemeinde sind ohne Zubringer gar nicht erreichbar. Die Ansiedlung von Firmen würde massiv erschwert. Es gibt in Dornach Parteien, die sich mehr Gewerbe auf dem Areal wünschen, gleichzeitig aber auch die Variante Süd anzweifeln. Das ist widersprüchlich. Ohne Birsquerung müsste man schon den von der Gemeinde 2014 im Teilleitbild vorgesehenen Gewerbeanteil von 30 Prozent mit «hoher Wertschöpfung und Arbeitsplatzdichte» in Frage stellen.

Welches Gewerbe soll sich denn im Wydeneck ansiedeln?

Grewe-Rellmann: Für das Wydeneck als Quartier der kurzen Wege braucht es Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, Kultur- und Freizeitangebote und Handwerk. Dank der grossen Baufelder entlang der Gleise können wir auch attraktive Firmen ansiedeln, wie es das Leitbild der Gemeinde vorsieht. Klar ist: Industrie mit hohen Emissionen ist nicht möglich, auch verkehrsintensive Geschäfte nicht.

Aber in der Region gibt es Konkurrenzareale wie etwa Uptown in Arlesheim oder Aesch Nord.

Feusi: Ja, solche Gebiete entwickeln sich auch über ihre Lagequalität. Deshalb ist der Zubringer für uns so wichtig – wir stehen in direkter Konkurrenz zu diesen Arealen. Bei uns ist eine vielfältige Nutzung möglich, auch kleinere Gewerbetreibende finden Platz.

Wird es zwischen produzierendem Gewerbe und Wohnungen nicht zu Konflikten kommen?

Grewe-Rellmann: Das werden wir in der Ausgestaltung berücksichtigen. Die Wohnungen werden zum Beispiel eher zur Birs ausgerichtet, das Gewerbe dafür gegen die Strasse und Gleise. Es gibt gute Beispiele für eine solche Nachbarschaft. Starke Lärmemissionen sind nicht mehr zu erwarten.

Wie viele Wohnungen sind geplant? Ist es möglich, dass diese Zahl noch deutlich steigt?

Grewe-Rellmann: Rund 700. Durch die Vorgaben zu Gesamtnutzungsmass und Gewerbeanteil ist diese Zahl gesetzt und wird nicht steigen.

Für Diskussionen sorgen die geplanten Hochhäuser an der Birs mit einer maximalen Höhe von 55 Metern. Verstehen Sie die Bedenken aus der Bevölkerung, dass diese Dimensionen für das Dorf zu gross seien?

Feusi: Hochhausdiskussionen haben wir oft. Der Vorteil von Hochhäusern: Wenn wir in die Höhe bauen, gewinnen wir mehr Aussenflächen für Bewohner und Bevölkerung. Wir können die Sorgen der Dornacherinnen und Dornacher verstehen: Wenn ein neues Quartier entsteht, verändert man das städtebauliche Bild eines Ortes. Daher war uns eine sorgfältige Erarbeitung des Masterplans unter Einbezug der Bevölkerung sehr wichtig. Der Teilzonenplan baut direkt darauf auf und übernimmt die Vorgaben zu möglichen Hochhäusern. Durch die Verortung der möglichen Hochhausstandorte ist sichergestellt, dass sie genug Abstand haben und  keine «Wand» bilden. Die Entwicklung entspricht dem Masterplan, in dem die Hochhäuser auch markiert sind. Dass wir das Feedback abholen aus der Bevölkerung, finde ich wichtig. Dabei darf man im Hinterkopf haben, dass der Teilzonenplanrevision eine fast zehn Jahre lange Planung mit Experten und Behörden vorausgegangen ist. Der vorliegende Entwurf wurde mit der Ortsplanungskommission erarbeitet und der Gemeinderat hat diesen zur Mitwirkung verabschiedet.

Weshalb beinhaltet der Teilzonenplan keine Regelung für sozialen Wohnungsbau?

Feusi: Angesichts der Grösse des Areals braucht es Wohnungen für verschiedene Zielgruppen; dazu gehören auch preisgünstige Wohnungen. In der ersten Etappe werden eher günstige Wohnungen entstehen, aufgrund der Nachbarschaft zum sich transformierenden Areal. Wir sind daher interessiert, etwa mit Genossenschaften zusammenzuarbeiten.

Derzeit werden die alten Hallen und Gebäude unter anderem von Kunst- und Kulturschaffenden genutzt. Wird dieses Angebot auch nach der Fertigstellung des Areals bestehen bleiben?

Grewe-Rellmann: Wir sind sehr daran interessiert, bestehende Mieter, etwa die Tagesschule Dornach, auf dem Areal zu behalten. Die Herausforderung ist, dass wir heute noch nicht wissen, welche Flächen wir nach der Transformation anbieten können.

Der Boden des Metalli-Areals ist durch die jahrzehntelange industrielle Nutzung mit Altlasten belastet. Wie aufwendig wird die Sanierung? Mit welchen Kosten rechnen Sie für die Sanierung?

Grewe-Rellmann: Wir haben den Untergrund untersuchen lassen. Die Situation ist stabil und es besteht keine Sanierungspflicht. Es ist jedoch keine triviale Aufgabe, die uns erwartet. Sobald es konkrete Projekte gibt, stellen wir die Sanierungskonzepte auf, in engem Austausch mit dem Kanton.

Feusi: Für die Sanierung rechnen wir mit einem tiefen zweistelligen Millionenbetrag.

Der Plan sieht vor, dass das Areal begrünt und ein Teil des Birsufers renaturiert wird. Wie wird sich dieses verändern?

Grewe-Rellmann: Heute ist das Areal weitestgehend versiegelt. In Zukunft wird ein Drittel des Areals Grün- und Freiräume sein. Etwa 20000 Quadratmeter kommen von der Bau- in die Grünzone.

Feusi: Es werden rund 30000 Quadratmeter renaturierter Birsraum mit einem Schutzteil und einem öffentlich zugänglichen Teil entstehen.

Wie viel investiert die Hiag bis zum Ende der Transformation?

Feusi: Der budgetierte Betrag für die gesamte Entwicklung beläuft sich nach heutigem Wissensstand auf rund 440 Millionen Franken.

Bis Ende Oktober können die Dornache­rinnen und Dornacher ihre Kritik und Wünsche zum Teilzonenplan Wydeneck bei der Gemeinde eingeben. Das letzte Wort hat der Gemeinderat. Werden Sie über die Mitwirkungsbeiträge informiert?

Grewe-Rellmann: Der Mitwirkungsprozess liegt beim Gemeinderat und bei der Ortsplanungskommission. Wir werden als Projektpartner einbezogen, die Entscheidungen trifft die Gemeinde.

Feusi: Der Kanton hat in der ersten Vorprüfung grünes Licht für das Projekt gegeben. Wir sind jetzt gespannt, wie das weitere Vorgehen sein wird.

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