Es begann mit einer Petition – und wird heuer 40

Das Reinacher Jugendhaus blickt auf eine interessante Geschichte zurück. Als die Jugendlichen in den frühen 1980er-Jahren Freiräume forderten, stiessen sie auf Wohlwollen. Allerdings wurde das Palais Noir im Gegensatz zu autonomen Jugendzentren von der Gemeinde stets eng begleitet.

Jugendliche ohne eigenen Platz: In den 1980er-Jahren wurde auch in Reinach der Wunsch nach einem Jugendhaus laut. Foto: zVg

Das Jugendhaus Palais Noir liegt am südöstlichen Siedlungsrand Reinachs, an der Bruggstrasse 95, unweit der Autobahn. «Wir leben hier nicht von Laufkundschaft», sagt Teamleiter Sami Scharowski schmunzelnd. Der Stellenwert eines Jugendhauses ist heute ein anderer als vor vierzig Jahren, als das Palais Noir eröffnet wurde: «Früher kamen Jugendliche, um hier Gleichaltrige zu treffen. Mit den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten gibt es viele andere Möglichkeiten, Kontakte zu suchen.»

Für ein Jugendhaus bedeute dies, das Angebot so anzupassen, dass es für Jugendliche attraktiv ist. Ihm als Sozialpädagogen komme die Aufgabe zu, Jugendliche dabei zu unterstützen, den Raum zu nutzen – etwa gemeinsam zu kochen oder Musik zu machen.

Hellhörig wird der Sozialpädagoge beim Begriff «Freiraum», denn er weiss: Jugendhäuser werden, gerade in einer Agglomerationsgemeinde wie Reinach, auch kritisch beobachtet. «Wir möchten Eltern und der Öffentlichkeit zeigen, dass wir gute Arbeit leisten, als Vorbilder Werte vermitteln, innerhalb derer sich die Jugendlichen frei entfalten können.» An Anlässen, die das Palais Noir selbst veranstaltet, wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Einwohnerrat besucht und BLT-Trams besetzt

Die Entstehung des Palais Noir fällt in die bewegte Zeit der Jugendunruhen der frühen 1980er-Jahre: Am 17. März 1980 statteten fünfzig Jugendliche, die sich im Verein «Mir wänn e Jugendhuus in Rynach» zusammengeschlossen hatten, dem Einwohnerrat einen Besuch ab: Mit einem Transparent taten sie ihr Anliegen kund und überreichten eine handgeschriebene, 3800 Unterschriften starke Petition. Das Anliegen wurde im Einwohnerrat mehrheitlich positiv aufgenommen, wie im Protokoll zur damaligen Sitzung nachzulesen ist. Die Jugendlichen fanden aber auch andere, weniger konventionelle Wege, ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen: Am 20. Dezember 1980 besetzten sie zwei Tramwagen der BLT, schmückten den Innenraum mit Tüchern und Transparenten.

1981 nahm eine Kommission mit zwei Jugendlichen des Vereins ihre Arbeit auf. Die Realisierung eines Jugendhauses schien in greifbare Nähe zu rücken, trotzdem kam es weiterhin zu Protestkundgebungen, die Freiräume für Jugendliche forderten, wie etwa ein Zeltlager bei der Mischelikirche im Juni. Aufgeheizt wurde die Diskussion durch die Entwicklung um das Autonome Jugendzentrum in ­Basel (AJZ), bei dessen Räumung es zu 141 Verhaftungen durch die Polizei gekommen war.

Die Einsicht, dass es in Reinach ein Freizeitangebot für Jugendliche braucht, war bis ins bürgerliche Lager unbestritten. Doch wollte man Zustände, wie diese in Basel eingetreten waren, verhindern. Es sollte ein geführtes, kein autonomes Jugendhaus sein. Mit Hilfe von zwei durch den Verein «Mir wänn e Jugendhuus in Rynach» angestellten Sozialpädagogen gelang es, ein Konzept zu entwerfen, das in der Volksabstimmung im März 1983 mit einem Ja-Anteil von 56 Prozent gutgeheissen wurde. Der offizielle Spatenstich erfolgte am 22. Oktober 1983, im Dezember 1984 wurde zur grossen Eröffnungsfeier eingeladen.

Auch Stefan Eicher beehrte das Palais Noir

In den ersten zwei Dekaden seines ­Bestehens war das Palais Noir ein viel besuchtes Jugendhaus, das sich durch Konzerte auszeichnete, welche die Jugendlichen selbst organisierten. Das Palais Noir war zu jener Zeit ein wichtiges Haus für alternative Musikkultur ausserhalb der Stadt. Schweizweit bekannte Musiker wie der Rock-Chansonnier Stephan ­Eicher oder Bands wie Frostschutz brachten das Palais Noir zum Kochen. Dabei war das Jugendhaus als öffentliche Einrichtung immer auf den Segen der Jugendhauskommission angewiesen. Noch in der ersten Dekade seines Bestehens kam es wieder zu einer Volksabstimmung bezüglich der Autonomie des ­Hauses und es war klar: Das Jugendhaus sollte eng an die Gemeinde angebunden bleiben. In den letzten zwanzig Jahren machte die gestiegene Zahl an Freizeitmöglichkeiten dem klassischen Jugendhaus Konkurrenz, trotzdem hielt sich das Palais Noir tapfer, machte mit Konzertreihen auf sich aufmerksam.

Als Sami Scharowski 2022 in Reinach anfing, traf er auf ein eher ruhiges Jugendhaus. Die Sanierung des Hauses war gerade abgeschlossen, der Betrieb während der Pandemie zurückgefahren worden. Auch wenn sich ein Vergleich zu den Anfangsjahren nicht anbietet, stellt der Sozialpädagoge fest: «Wir werden jeden Tag von einer stabilen Anzahl Jugendlicher aufgesucht.» Regelmässig besucht das Team Schulklassen, um auf das Angebot aufmerksam zu machen. Zudem stellt das Palais Noir seine Räumlich­keiten anderen Organisationen zur ­Verfügung.

Am kommenden Sonntag gibt eine Ausstellung anlässlich des traditionellen «Palais z’Morge» ab 11 Uhr Einblicke in dessen Geschichte.

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