Von Jungfrauen, goldenen Hirschen und Stechpalmen
Auf einem markanten Felskopf, versteckt im Wald, hocken die Reste der ehemaligen Burg Hilsenstein oder Hülzistein. Die Ruine birgt einige Geheimnisse – besonders über die Herkunft ihres Namens.
Oft sind es die Dinge in nächster Nähe, die noch Geheimnisse bergen. Der Flurname des Waldgebiets zwischen der Ruine und den obersten Kehren der Gempenstrasse heisst Hilzenstein. Es gibt drei Bezeichnungen für die längst verfallene kleine Burg auf Dornacher Gemeindeboden. Das zeigt, dass es in der Frage der Namensherkunft wohl Unklarheiten gab. In mittelalterlichen Schriftquellen ist die Burg nicht erwähnt, dafür in einigen lokalen Sagen. Die wohl bekannteste ist die Geschichte, wonach der, der nachts am «Hilzensteinschlösschen» vorbeigehe, unheimliche Dinge erlebe. Um Mitternacht soll dort eine Jungfrau mit einem Hirsch umhergehen. Ein vorwitziger Mann aus Dornach habe den Hirsch erlegen wollen, ein Tier mit goldleuchtendem Geweih. Vor dem Schuss sei der Jäger tot zusammengestürzt. Der Künstler Theodor Ganz malte im Jahre 1940 ein Sgraffito auf die östliche Felswand, auf dem die Jungfrau, der Hirsch und mehrere alte Schweizer Soldaten zu sehen sind. Der Maler verband die offensichtliche Wandersage mit dem Thema der Wehrhaftigkeit der Schweiz. Da der Hirsch im Mittelhochdeutschen «Hirz» heisst, wurde spekuliert, ob der Name Hilzenstein nicht aus Hirzenstein abgeleitet sei. Diese These ist falsch, da bereits in der Sage Unstimmigkeiten vorliegen. «Hilzensteinschlösschen» weist auf eine sekundäre Bildung hin. 1962 findet man den Hinweis, die Burg sei ein «Jagdschlösschen» gewesen. Nun gab es aber vor der frühen Neuzeit keine Jagdschlösser. Kein Jagdschloss wäre auf eine Felszinne erbaut worden. Die Fährte zu Hirsch und Jagd führt also in die Irre.
Wer bewohnte die Burg?
Historiker vermuten, es sei ein Zweig des Basler Rittergeschlechts Münch gewesen, dessen Angehörige in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Beinamen «Gempener» führten und dann ausstarben. Ob die Burg ständiger Wohnsitz war oder nur Rückzugsort in politisch unsicheren Zeiten, ist unklar. Auf jeden Fall war die Familie Münch in die Zwistigkeiten zwischen dem Bischof von Basel und den Habsburgern verstrickt. Eine kleine Burg, die nicht mit dem Schloss Dorneck zu vergleichen war, stellte alles andere als einen angenehmen Aufenthaltsort dar und diente in erster Linie zum Schutz vor Überfällen und zur Kontrolle des Gempenpasses. Hier ass man Hirsebrei wie anderswo und lebte beengt in verrauchten Zimmern; die hygienischen Verhältnisse waren misslich und die Bewaffnung war rudimentär. Auf der Nordostseite steht noch ein rund 15 Meter langes Mauerstück, das vermutlich zu einem Turm gehörte. Auf der Westseite wird ein Nebengebäude vermutet. Die exponierte Anlage war im Mittelalter durch eine lange Brücke erschlossen, die über den bergseitigen Graben führt. Es ist möglich, dass sich auf der Burg eine Zisterne befand, deren Wasser zur Flutung des Grabens diente. Die Fundstücke – Armbrustpfeile und Scherben – deuten darauf hin, dass die Burg zwischen 1200 und 1300 stark genutzt wurde. Beim Erdbeben von Basel 1356 wurde sie total zerstört und nie mehr aufgebaut.
Hollywood in Dornach
Es gibt zumindest zwei einleuchtende Erklärungen für den Namen Hülzistein. Das mittelhochdeutsche Wort hülzin bedeutet aus Holz bestehend, hölzern. Dann wäre Hülzistein ein Verweis auf den Ort im «Holz» oder im Wald. Einleuchtender ist die Ableitung von Hulst, Hülze, die Bezeichnung für die Stechpalme (ilex aquifolium), verwandt mit dem französischen houx und dem englischen holly. Hülzistein oder Hilsenstein wäre dann die Burg im Stechpalmengebiet. Tatsächlich gilt die Stechpalme auch als Siedlungsmarker. Wen wundert es, dass sich um die Ruine noch heute Stechpalmen finden.