Die «Buttechlopfer» machen weiter
In Hochwald wird in sechster Generation Buttenmost hergestellt. Es ist die letzte Familie der Schweiz, die diese Tradition fortführt. Künftig gibt es aber Veränderungen.
Wer nach Hochwald fährt, wird unweigerlich darauf aufmerksam gemacht: Buttenmost. Die Schilder führen zu einem alten Bauernhaus am Kirchrain. Hier wird in sechster Generation Buttenmost hergestellt. Das Handwerk ist echte Familientradition. Seit über 150 Jahren werden Hagebutten von Carmen Zauggs Familie verarbeitet. Aktuell sind drei Generationen in den Prozess eingebunden: Carmen Zaugg, ihre Mutter Verena Ming und Grossmutter Irma Vögtli, mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Familienmitglieder. Seit vielen Jahrzehnten stellen sie den Hobler Buttenmost her.
Früher war Hochwald ein Hotspot für die Verarbeitung der Hagebutten. Erzählungen zufolge brachte Maria-Josepha Vögtli den Brauch nach Hochwald. Sie kam in Zürich mit dem Buttenmost-Rezept in Kontakt, als sie eine Ausbildung zur Haushaltshelferin absolvierte. Zurück in der Heimat zeigte sie den Bauern im Dorf die Verarbeitung der roten Früchte. Der Hobler Bevölkerung, die zu dieser Zeit neben Landwirtschaft vor allem Brennholz nach Basel verkaufte, eröffnete sich so ein neuer Geschäftszweig, um die klammen Haushaltskassen zu füllen. Und der Buttenmost erfreute sich in der Stadt am Rheinknie grosser Beliebtheit.
Schon bald verarbeiteten zahlreiche Familien die Hagebutten, die folglich in der ganzen Region gesammelt wurden. Diese wurden mit einem Holzhammer zerquetscht und danach durch ein Sieb gepresst. Diesem Herstellungsprozess verdanken die Menschen aus Hochwald ihren bis heute verbreiteten Spitznamen «Buttechlopfer».
Damit die Tradition nicht verschwindet
Im 19. Jahrhunderten sollen noch rund 40 Familien das Hagebuttenmark aus den Früchten hergestellt haben. Seither ging diese Zahl stetig zurück. Seit vier Jahren ist es nur noch die Familie von Carmen Zaugg, die das traditionelle Handwerk fortführt. «Wenn wir damit aufhören, verschwindet das Handwerk für immer», sagt Zaugg. Es erfülle sie mit Stolz, eine solche Tradition aufrechtzuerhalten. Man spüre dadurch aber auch eine gewisse Verantwortung.
Der Prozess veränderte sich über die Jahre und Maschinen übernahmen immer mehr Aufgaben. Mittlerweile werden die Hagebutten von einem Fleischwolf zerkleinert. Die dabei entstehende Masse wird nach einer Ruhezeit von einer Maschine unter Wasserzufuhr durch zwei Siebe gepresst. So werden die Kerne und Härchen der Hagebutten entfernt. Übrig bleibt ein dickflüssiger Brei, der – sobald die Konsistenz stimmt – abgefüllt wird.
Hagebutten stammen aus ganz Europa
Die Beliebtheit des Buttenmosts ist ungebrochen. Aus der ganzen Schweiz treffen Anfragen für das begehrte rötlich-orange Mus ein. Viele holen das Produkt noch immer vor Ort ab. Doch auch Online-Bestellungen und Lieferung per Post sind mittlerweile möglich. Zwischen 15 und 20 Tonnen Buttenmost produziert das Team rund um die drei Frauen jeden Herbst von Ende September bis Anfang November. Zu den Abnehmern zählen Privatpersonen und Hofläden, aber auch Restaurants und Detailhändler. Über 70 Verkaufsstellen sind auf der eigenen Website aufgelistet. Die Hagebutten stammen jedoch – anders als früher – nicht mehr aus der Region, das wäre in diesen Massen nicht mehr möglich.
Zaugg und Co. beziehen die Früchte von einem Grosshändler in Frankreich. Dieser sammelt die Hagebutten aus ganz Europa. Die Menge des Buttenmosts, der in Hochwald hergestellt wird, hängt vom Bedarf ab. Die Familie produziert auf Bestellung. Die Menge steigert sich im Laufe der Saison, ehe sie gegen Ende Oktober wieder abflacht.
Aus der dickflüssigen Masse wird vorzugsweise Konfitüre hergestellt. Doch auch Torten, Cremen und Suppen können daraus gezaubert werden. Auf der Website sind viele Rezepte aufgelistet. Neben dem intensiven Hagebuttengeschmack besitzt der Buttenmost auch einen hohen Anteil an Vitaminen. Wird die Masse erhitzt, beispielsweise bei der Konfi-Herstellung, gingen zwar einige Vitamine verloren. Trotzdem biete Buttenmost eine ideale Nahrung für den kalten Winter.
Neue aufgestellt für die Zukunft
Wenn es so richtig kalt wird, ist die Buttenmost-Saison bereits wieder vorbei. Mit ein wenig Glück kann man sich aber im Hofladen am Kirchrain in Hochwald noch einen Restposten ergattern. Viele kommen auch wegen Grossmutter Irma Vögtli, die den Verkauf vor Ort leitet, vorbei und bleiben für ein Gespräch. «Sie meint immer, sie sei die Plauderkasse», sagt Zaugg. Mit ihren 94 Jahren wirkt Vögtli noch immer fit. Trotzdem macht sich Carmen Zaugg Gedanken über die Zukunft des Betriebs.
Auf das kommende Jahr will sie die Tradition mit ihrer Cousine Rahel Gürtler und ihrem Cousin Samuel Hufschmid fortführen. Grossmutter Irma und Mutter Verena könnten sich so langsam zurückziehen. Aktuell liege der Löwenanteil der Produktion noch immer auf den Schultern von Verena Ming. Das solle sich aber in Zukunft ändern. Es sei aber nicht einfach, das Pensum neben dem Berufs- und Familienalltag zu stemmen, meint Zaugg. Trotzdem blickt sie zuversichtlich in die Zukunft. Und ihre Mutter und Grossmutter stünden bei Fragen und Problemen weiterhin zur Verfügung. Freunde des Buttenmosts können sich also auch künftig am Buttenmost aus Hochwald erfreuen. Und mit etwas Glück erhalten sie auch in den kommenden Jahren von der Plauderkasse Irma Vögtli im Hofladen ihren geliebten Buttenmost.