«Wir nehmen jeden Stein in die Hand und schauen, wo wir ihn sinnvoll neu platzieren können»

Frieder Recht und Florence Kaeslin leiten den Sonnenhof in Arlesheim. Im Interview erzählen die beiden, welche Veränderungen anstehen, wie es um die Finanzen steht und warum alte Zöpfe auch mal abgeschnitten werden müssen.

Florence Kaeslin und Frieder Recht. Fotos: zVg

Der Sonnenhof befindet sich in einem Wandel. Können Sie kurz umreissen, was dieser mit sich bringt?

Frieder Recht: Wenn eine Einrichtung 100 Jahre alt wird, hat sie schon vieles erlebt. Es ist nicht die erste Veränderung und es wird auch nicht die letzte sein. Die Situation auf Seiten der Behörden, aber auch bezüglich der Belastbarkeit der Mitarbeitenden hat sich jedoch so verändert, dass nun ein nachhaltiger Entwicklungsprozess notwendig geworden ist. Da sind wir mittendrin.

Verwaltungsratspräsident Thomas Spalinger schrieb im Jahresbericht 2022, man lasse Vergangenes bewusst hinter sich. Damit gehe auch ein anderes Verständnis von Anthroposophie einher. Warum ist das nötig?

Recht: Unser Grundsatz ist es, das Vergangene zu würdigen, aber auch in den richtigen Kontext zu stellen. Wir bekennen uns zu den anthroposophischen Wurzeln, versuchen diese allerdings zeitgemäss zu formulieren. Es soll aber nicht dogmatisch sein. Wir lösen uns von festgefahrenen Formen und gestalten neue.

Haben Sie ein Beispiel?

Recht: Noch vor 15 Jahren hatten wir einige Lehrpersonen, die sagten: «Ich weiss, was für das Kind richtig ist.» Heute ist es umgekehrt. Wir schauen zum Beispiel auf das Kind: Welche Persönlichkeit kommt mir entgegen? Was kann der Beitrag des Sonnenhofs sein, damit sich das Kind bestmöglich entwickeln kann? Dabei können anthroposophische Aspekte und Inhalte aus der aktuellen Wissenschaft verknüpft werden.

Florence Kaeslin: Es war schon immer das Anliegen der Anthroposophie, individuell auf den Menschen einzugehen. Es wurde einfach teilweise anders interpretiert und an alten Traditionen festgehalten. Dabei sagte schon Rudolf Steiner, Anthroposophie müsse immer in den Kontext der Zeit gestellt werden und sich entwickeln.

So ein Wandel kann für Mitarbeitende auch schwierig sein. Wie gehen Sie damit um?

Recht: Es sind alle Ebenen gefordert. Wir nehmen jeden Stein in die Hand und schauen, wo wir ihn sinnvoll neu platzieren können. Das zwingt alle Beteiligten, alte Gewohnheiten zu verlassen. Wir versuchen, das ganze System zu befähigen.

Kaeslin: Wichtig ist: Es ist kein Top-down-Prozess. Wir möchten alle Mitarbeitenden miteinbeziehen. Diese Entwicklungen brauchen Geduld, dauern mehrere Jahre. Durch das Mitgestalten können wir uns als Arbeitgeber auch positionieren.

Das Gehalt im Sonnenhof ist eher tief, vergleicht man es mit anderen Institutionen ähnlicher Art. Wird es da Anpassungen brauchen?

Recht: Ja, wir gehen dies aktiv an und sind in Verhandlungen mit den Geldgebern, sprich den Kantonen. Parallel prüfen wir, welche internen Entwicklungsmöglichkeiten genutzt werden können. Zeitnah branchenüblich zu entlöhnen, ist das erklärte Ziel. Die Löhne sind das eine, das andere sind auch Gelder, die wir benötigen, um Entwicklungen voranzutreiben.

Der Sonnenhof weist ein strukturelles Defizit auf – wie kann die Wirtschaftlichkeit langfristig gesichert werden?

Kaeslin: Wir sind eine private Organisation, erfüllen aber einen öffentlichen Auftrag. Unsere Leistungen sind über Leistungsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand finanziert. Es ist eine politische Diskussion – was sind uns öffentliche Aufgaben wert als Gesellschaft? Das steht und fällt mit den Tarifen, die wir aushandeln. Da sind wir in einem intensiven Prozess, um darzulegen, dass die qualitativ hochstehende Leistung auch ihren Preis hat.

Recht: Wir sind der einzige Dienstleister im Kanton Baselland, der diese Klientel bedient. Das macht einen Vergleich mit anderen Institutionen schwierig.

Die Gebäude sind teilweise in die Jahre gekommen – geplant ist auch deshalb ein Neubau. Warum braucht es diesen und wie steht es um das Projekt?

Recht: Der jetzige Hauptbau ist nicht barrierefrei und entspricht nicht mehr den Bedürfnissen des Sonnenhofs. Wir gehen gerade über die Bücher, wie wir weiterfahren: Wir haben einen Quartierplan, der 2001 genehmigt wurde. Nun wollen wir einen neuen erarbeiten, der dem Dorf und dem Sonnenhof entgegenkommt. Dagegen gab es nun aber viele Einsprachen und eine Umsetzung hängt auch von der Gemeindepolitik ab. Deswegen prüfen wir derzeit, ob wir darauf einsteigen oder mit dem alten Quartierplan eine Lösung finden. Klar ist: Wir können uns nicht leisten, dass es ein Jahrhundertprojekt wird. Letztendlich leiden die Schwächsten unserer Gesellschaft darunter.

Eine andere Herausforderung ist der Fachkräftemangel: Wie gewinnen Sie neues Personal?

Kaeslin: Mit originellen Stelleninseraten zum Beispiel. Wir müssen herausstechen. Wenn wir die Menschen dann zum Gespräch laden und sie den Ort kennenlernen, ist schon viel erreicht. Einen Fokus legen wir auf die Begegnungskultur, die uns ein hohes Anliegen ist. Zudem ist die Vielfalt der Tätigkeiten bei uns sehr gross, weil wir eine breite Palette an Angeboten haben. Das ist ein spannendes Umfeld zum Arbeiten.

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