Stehende Ovationen für ungekürzten «Faust»
Die Neuinszenierung des ungekürzten «Faust» von Goethe durch Christian Peter am Goetheanum kann als geglückt betrachtet werden. Sie besticht durch ein puristisches Bühnenbild mit vielfach einsetzbaren Elementen, durch eine hervorragende Lichtführung und die sorgfältig durchgestaltete Kostümierung und Maske in allen Rollen. Die von Florian Volkmann ausgewählte und teils selbst aufgeführte Musik – von Barock bis moderne Klassik und Rock ’n’ Roll – erklingt durchgehend live. Gerade im zweiten Teil des Dramas wähnt man sich oft in einem modernen Musical.
Die von Margarethe Solstad einstudierten Eurythmiepassagen fügen sich nahtlos ins Stück ein und stützen die eigentliche Stärke der Inszenierung: das Atmosphärische. Bewegungskunst, Musik und Bühnenbild machen wett, was an Schauspielerischem nicht immer eingelöst werden kann. Bodo Bühling will als Faust weniger überzeugen als Urs Bihler als zerstörerischer Mephisto, der den ahrimanischen Aspekt der Rolle glaubwürdig darstellt. Bernhard Glose weiss als junger Faust zu gefallen, wogegen Maarten Güppertz als schalkhafter und agiler Mephisto oft zu possenhaft bleibt. Der in Arlesheim geborenen Elena Conradt darf zu ihrem starken Debüt als Gretchen gratuliert werden. Die vor allem gegen den Schluss zunehmenden Texthänger waren störend, aber wie der «Erdenrest, zu tragen peinlich» als Kinderkrankheiten der Premiere zu akzeptieren. Immerhin sind 17 Spielstunden für die Schauspieler nicht nur eine physische, sondern auch eine mentale Herausforderung. Am Schluss gab es für den eindrücklichen und wohl lange nachwirkenden Theatermarathon viele Bravorufe und stehende Ovationen von einem international gemischten Publikum. Wer Zeit hat, «Faust» an Himmelfahrt, Pfingsten oder im Sommer zu sehen, sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen (<link http: www.faust2016.ch _blank external-link-new-window>www.faust2016.ch).